Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Heiligkeit
Heilig im eigentlichen Sinn ist nur Gott selbst. Wenn wir aufgefordert werden, heilig zu werden (3. Mose 11, 44f), ist dies im analogen Sinn zu verstehen. Zudem ist es Gott selbst, der die Heiligung an Menschen vollzieht.
1. Was heißt Heiligkeit?
2. Pflicht zur Heiligkeit
3. Wege zur Heiligkeit
4. Heiligenverehrung:
4.1 Sinn und Bedeutung der Heiligenverehrung
4.2 die Heiligen als Vorbilder
4.3 die Heiligen als Fürbitter
1. Was heißt Heiligkeit?
Paulinus II. von Aquileia († 802):
Heiligkeit besteht
in Werken der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit aber wird auf zweifache
Weise erfüllt, dass wir nämlich das Verbotene nicht tun und
das Gebotene tun, wie der Prophet sagt:
Meide das Böse
und tu das Gute!
(Psalm 33, 15)
[Paulinus: Liber exhortationis. In: MPL 99, c. 7-8; eigene Übersetzung]
Nikolaus von Kues
(† 1464):
Wie an glühenden Kohlen
nur Feuer, und an bemaltem Tuche nur Farbe hervortritt, so an den
Heiligen nur Gott.
(Exc. IX, 644)
Johannes-Baptist Vianney († 1859):
Die Heiligkeit besteht
nicht in großen Dingen, sondern in der treuen Beobachtung der
Gebote Gottes und in der Pflichterfüllung an dem Platz, an den
Gott uns gestellt hat. Wir sehen oft, dass einer, der in der Welt
lebt und treu die kleinen Pflichten seines Standes erfüllt, Gott
wohlgefälliger ist als die Einsiedler in ihren Wüsten.
Elisabeth von der heiligsten Dreifaltigkeit Catez: († 1906):
Ideal der
Heiligkeit: aus Liebe leben.
Die Ärztin, Mystikerin, Schriftstellerin Adrienne von Speyr († 1967):
Der Heilige und das
Licht:
(zu Offenbarung 21, 13)
Wie das Licht durch den
Heiligen hindurchgeht, ist für ihn selber nicht verstehbar. Er
von sich aus hat nur dafür zu sorgen, dass er vollkommen
durchsichtig sei: vor Gott wie vor der Kirche (die im Beichtvater
konkret wird), und dass das Licht ihn an keiner andern Stelle und in
keiner andern Brechung verlasse, als es in der von Gott bestimmten
Bahn des Lichtes vorgesehen war. Die Auswahl dessen, was in der
Person des Getroffenen wichtig und was unwichtig ist, liegt ganz im
Ermessen des Lichtes. Die Person hat weder das Licht zu lenken oder
zu gestalten noch gewisse Teile dem Licht zuzuwenden, andere zu
entziehen, noch überhaupt von sich aus irgendeinen Plan
aufzustellen - und wäre es ein Plan der Heiligkeit -, was aus
dem Licht in ihr zu werden hat. Der Plan nicht nur der Aufgabe,
sondern letztlich auch der für die Aufgabe werkzeuglich
gebrauchten Person liegt ganz im Licht selber, das von sich aus das
Vorgefundene, von ihm Durchflutete gestaltet und dem Auftrag
dienstbar macht.Die Heiligen
und die Sendung des Sohnes:
(zu Johannesevangelium 5, 14 - 15).
Die meisten Heiligen
verkörpern und vermitteln einen Begriff, eine bestimmte Idee;
sie sind ein Strahl des Prismas, dessen weißes, vollkommenes
Licht der göttliche Sohn ist. Einer von ihnen enthält
vielleicht gerade das entsprechende Positiv zu meinem besonderen
Negativ. Dieses Amt der Heiligen ist eingeschlossen in der Sendung
des Sohnes. Denn niemand hat Gott je gesehen; der erhöhte Sohn
und die mit ihm zusammen Erhöhten zeigen ihn uns. Damit wir
nicht in das uns schlechthin Unbegreifliche hinaus angezogen werden,
gibt es die Stufe des Angezogenwerdens durch Endliches, die aber nie
zur Ruhestatt werden darf, sondern immer Durchgang bleiben muss. Die
Heiligen sind wie kleine Herbergen unterwegs; sie dürfen
erquicken, aber den Gast nicht länger zurückhalten. Gott
jagt mit Hunden, die ihm die Beute zu bringen haben; aber die Hunde,
die das Wild ins Maul nehmen müssen, dürfen sich an seinem
Blut nicht laben, sie müssen rasch die Beute dem Herrn der Jagd
zutragen.Begleitung
durch. Heilige:
Die Heiligen sind der
Beweis der Möglichkeit des Christentums. Sie können daher
Führer sein auf einem sonst unmöglich scheinenden Weg zur
vollkommenen Liebe. Und indem Gott jede Art und Form von Heiligkeit
begründet hat, hat er unendlich viele Wege eröffnet, von
denen wenigstens einige sicher für mich gangbar sind. In der
wirklichen Nachfolge der Heiligen ergibt sich das Je-Mehr der
christlichen Liebe wie von selbst. Denn ein Heiliger bedeutet nie
eine Grenze, einen Halt. Auch in der Nachahmung erreicht man ja nie
seine Heiligkeit, weil diese selbst nichts Abgeschlossenes ist. Die
Einschiebung der Heiligen ist eine vom Herrn gewährte
Erleichterung, eine Konkretisierung seines Gebotes, eine Wegweisung,
über die niemand sich täuschen kann. Und es wird nicht so
sein, dass man diesen Wegweiser nur am Anfang des Weges befragt und
es nachher mit dem Herrn allein macht. Der Heilige begleitet, indem
er von selbst immer durchsichtiger wird auf den Herrn; er braucht
nicht beiseite geschoben zu werden. Er lässt von selbst den
Herrn immer zentraler werden. Denn das Wesen aller Heiligkeit besteht
darin, im Herrn zu bleiben, bis er wiederkommt. …
Er will die einmalig
geprägten, unverwechselbaren Sendungen, deren jede in der
Harmonie des Ganzen ihre eigene Farbe behält. … Die
verschiedenen Farben und Schattierungen ergänzen einander, die
eine spiegelt sich in der andern wider, und so dient jede dazu, die
andere ins Licht zu stellen. Es gibt auch Farben, die beinahe all
ihren Glanz davon erhalten, dass sie mit den andern zusammen sein
dürfen. Und wenn die einzelnen Farben und Sendungen auch
begrenzt sind, durch das Ineinanderspiegeln erhalten sie eine Art
Unbegrenztheit. Sie geben einander gegenseitig das Stichwort; jede
kann sich durch die andern und in ihnen entfalten. Das ist ein Werk
der Liebe, das sie so einander erweisen. Es liegt in ihrer
himmlischen Heiligkeit die Eigenschaft und die Sorge, die Heiligkeit
der andern zu unterstreichen und ins Licht zu setzen.
[Barbara
Albrecht: Eine Theologie des Katholischen. Einführung in das
Werk von Adrienne von Speyr, Bd. 1: Durchblick in Texten. Johannes
Verlag Einsiedeln 1971, S. 250 - 256]
Der Jesuit und Religionsphilosoph Erich Przywara (†
1972):
Der Heilige als Ruf Gottes:
Der Heilige hat
eine doppelte Beziehung zum Bild des Menschen. Von unten her, ethisch
und anthropologisch gesehen, stellt er sich als das Idealbild des
Menschen dar. Von oben her religiös und theologisch gesehen,
erscheint in ihm ein besonderer Ruf Gottes an die Menschheit. Der
Heilige als Idealbild liegt in der Richtung des Aufstieges des
Menschen: bis zu einer Höhe, die ihm dem Heiligen Gott
vergleichbar macht. Der Heilige als Ruf Gottes ist nach seiner
menschlichen Seite restlose Durchlässigkeit und
Werkzeuglichkeit, durch die je immer mehr das Unvergleichliche des
allein Heiligen Gottes ersichtlich wird und wirksam. Im Heiligen als
Idealbild wird darum die Kraft des Menschen anschaulich, in der der
Allmächtige sich ihm mitteilt. Im Heiligen als Ruf Gottes atmet
das ganze Geheimnis der Leidentlichkeit [sic!] des Menschen, darin er
zu Gottes Leben hin empfänglich sein darf. Darum eben aber ist
der Heilige als Ruf Gottes die bestimmende Tiefe des Heiligen
als Idealbilds: wie gemäß Thomas von Aquin die Tiefe aller
Mächtigkeit
(potentia) im Menschen seine
Horchens- und Gehorchens-Mächtigkeit
(potentia
obedientiails) ist. So wird ein kommender Heiliger
ahnungshaft ablesbar sein an dem besonderen Ruf Gottes, der in einer
bestimmten Zeit erscheint und an Menschheit und Kirche ergeht.
[Erich Przywara: Humanitas. Der
Mensch gestern und morgen. Glock und Lutz, Nürnberg 1952, S. 840]
Teresia Gonxhe Bojaxhiu - „Mutter” Teresa († 1997):
Wahre Heiligkeit
besteht darin, den Willen Gottes lächelnd zu tun.
2. Pflicht zur Heiligkeit
Johannes vom Kreuz († 1591):
Denken Sie immer daran,
dass Sie zu nichts anderem gekommen sind, als um heilig zu werden.
Alfons Maria von Liguori († 1787):
Es
ist ein großer Irrtum, wenn einige sagen: Gott will nicht, dass
alle heilig werden. Im Gegenteil, versichert Paulus:
Das ist
es, was Gott will: eure Heiligung
(1. Thessalonicherbrief 4, 3). Das gilt für
jeden Stand: Der Ordenschrist soll als Ordenschrist heilig werden,
der Laie als Laie, der Priester als Priester, der Verheiratete als
Verheirateter, der in der Wirtschaft Tätige als
Wirtschafttreibender, der Soldat als Soldat und entsprechend in jeder
anderen Lebensform, in jedem Beruf und jedem Stand.
Sie müssen
sich dort zu heiligen suchen, wo Gott will, und nicht dort, wohin Sie
gehen wollen. Der Wunsch, den Platz zu wechseln, kommt von der
Eigenliebe und dem Verlangen, dem Kreuz zu entfliehen.
[Alfons
von Liguori, Die Berufung zur Heiligkeit. Aus: Die Kunst, Jesus
Christus zu lieben - Pratica di amar Gesù Cristo. Milano
1986, S. 98 - 107; zitiert nach: Greshake / Weismayer: Quellen, Bd. 3, S. 229 - 232]
Elisabeth Anna Bayley Seton
(† 1821):
Wir wissen
sicherlich, dass unser Gott uns zu einem heiligen Leben ruft. Wir
wissen, dass er uns jede Gnade dazu gibt, jede Gnade im überfluss,
und obwohl wir so schwach sind, ist Seine Gnade fähig uns durch
jedes Hindernis und jede Schwierigkeit hindurchzutragen.
Nach Johannes-Baptist Vianney († 1859)
sind alle Menschen
berufen zur Heiligkeit:
Seid heilig,
weil ich heilig bin, sagt uns der Herr. Warum gibt uns Gott solch ein
Gebot? Weil wir seine Kinder sind, und wenn der Vater heilig ist,
müssen es auch die Kinder sein. Nur die Heiligen können
hoffen, sich einst der Gegenwart Gottes zu erfreuen, die die
Heiligkeit selbst ist. In der Tat, ein Christ sein und in der Sünde
leben ist ein ungeheuerlicher Widerspruch. Ein Christ muss ein
Heiliger sein.
Aloisius Guanella (†
1915):
Wer die andere
heilen will, denke vor allem daran, sich selbst zu heiligen.
Viktrizius Weiß
(† 1924):
Du musst nach
Heiligkeit trachten. Mittelmäßigkeit ist nicht dein
Beruf.
Rafael Arnáiz Barón († 1938):
Nützen wir
die kleinen Dinge des täglichen Lebens, des gewöhnlichen
Lebens! Um große Heilige zu sein, bedarf es nicht großer
Dinge; es genügt, die kleinen Dinge auf großartige Weise
zu tun.
Maximilian Maria Kolbe († 1941):
Deine Heiligkeit besteht nicht
in irgendwelchen außergewöhnlichen Taten, sondern in der
getreuen Erfüllung deiner Pflichten Gott, dir selbst und anderen
gegenüber. Kein Stand, auch der erhabenste nicht, kann dir die
Heiligung deiner Seele in Aussicht stellen, wenn du selbst deine
Standespflichten vernachlässigst.
Alois Andritzki († 1943):
Heiligkeit ist ja
die übereinstimmung des Menschen in allem Denken und Tun mit
Gott, dem allein Heiligen. Heiligkeit bedeutet die ganze Hingabe
unseres Willens an den Willen Gottes. … Zur Heiligkeit gehört
der eigene freie und bejahende Wille, der dem Willen des Höheren
zugetan ist, und das vor allem dann, wenn auch damit Leid und
Entsagung verbunden ist.
[Alojs Andritzki,
Briefe, Ratibor 2011; Brief vom 3. März 1941 aus dem
Untersuchungsgefängnis]
Max Joseph Metzger († 1944):
Die Welt braucht
Heilige! Keine Mahnung ist so zeitgemäß wie diese. Nur
durch Heilige, die den Alltag heiligen, wird unser Glaube glaubwürdig
für die Welt.
(Brief vom 7. September 1943)
3. Wege zur Heiligkeit
Dominikus († 1221):
Das Kreuz ist die königliche
Pforte, durch die man in den Tempel der Heiligkeit eingeht. Wer
anderswo Heiligkeit sucht, der sucht vergebens.
Der wahre Heilige
weiß nichts von seiner Heiligkeit, und je heiliger einer ist,
desto weniger glaubt er, es zu sein.
Brief an eine Frau,
in dem Johannes von Ávila († 1569) ihr
mitteilt, was Heiligkeit bedeutet:
Das Erste,
wodurch du große Heiligkeit erlangen kann, ist die überlegung,
dass du [selbst] böse bist, Gott aber unendlich gut, und dass es
nur durch Seine Gnaden geschieht, dass Sünder zu guten Christen
und gute Christen noch besser werden. …
Du musst ihn auch mit
glühender Liebe umfangen, wenn du vollkommen sein willst, denn
Heiligkeit kommt von der Liebe, und je größer die Liebe,
umso größer der Heilige. Der beste Beweis unserer Liebe zu
Christus besteht im Gehorsam gegenüber seinen Geboten und in der
Bereitschaft für Ihn das Kreuz zu tragen; je größer
die Abtötungen und Mühsale sind, die dieses [Kreuz] mit
sich bringt, umso mehr zeugt es von der Echtheit unserer Liebe.
Die Verachtung des
eigenen Selbst und die Verleugnung unseres Willens sind ebenso
Zeichen dieser Liebe, denn unser Herr sagt: Wer mein Jünger
sein will, der verleugne sich selbst!
(Matthäusevangelium
16,24).
[Full
text of Letters of Blessed John of Avila
: Letter XV To a lady, on what constitues true holiness: S. 98
- https://archive.org/stream/lettersofblessed00johnuoft/lettersofblessed00johnuoft_djvu.txt
- angerufen am 25.08.2025 (eigene Übersetzung)]
Philipp Neri († 1595):
Man wird kein Heiliger in vier Tagen.
Die Leute, die in
der Welt leben, sollen sich bemühen, in ihren eigenen Häusern
heilig zu werden. Denn weder das Leben am Hof, im Beruf oder bei der
Arbeit ist ein Hindernis, wenn man Gott dienen will.
Josef von Copertino († 1663):
Wer Gutes tut nur
aus Laune, wird weder heilig noch gerecht.
Der französische Karmeliter und Mystiker
Bruder Lorenz von der Auferstehung († 1691):
Man wird nicht im
Schnellverfahren heilig.
Veronika Giuliani († 1727):
Alle Heiligen sind dort oben
durch die Verdienste und das Leiden Jesu; doch an allem, was unser
Herr getan hat, haben sie mitgewirkt, so dass ihr Leben ganz durch
eben diese Werke geordnet und geregelt wurde.
(Tagebuch III,
203)
Johannes-Baptist Vianney († 1859):
Die Heiligkeit
besteht nicht in großen Dingen, sondern in der treuen
Beobachtung der Gebote Gottes und in der Pflichterfüllung an dem
Platz, an den Gott uns gestellt hat. Wir sehen oft, dass einer, der
in der Welt lebt und treu die kleinen Pflichten seines Standes
erfüllt, Gott wohlgefälliger ist als die Einsiedler in
ihren Wüsten.
Wollt ihr noch mehr
wissen, was ein Heiliger in den Augen Gottes ist? Er ist ein Mensch,
der Gott fürchtet, der ihn ehrlich liebt und ihm in Treue dient.
Er ist ein Mensch, der sich nicht vom Hochmut aufblähen und
nicht von der Eigenliebe beherrschen lässt, der wirklich demütig
ist und klein in seinen eigenen Augen. Wenn er der Güter dieser
Welt entbehrt, wünscht er sie nicht zu haben, wenn er sie
besitzt, hängt er sein Herz nicht daran. Er ist ein Feind jedes
ungerechten Gewinns, er besitzt seine Seele in der Geduld und
Gerechtigkeit und ärgert sich nicht über eine
Ungerechtigkeit, die ihm widerfährt. Er liebt seine Feinde, er
sucht sich nicht zu rächen. Er erweist seinem Nächsten alle
Dienste, die er kann. Gern teilt er seine Habe mit den Armen. Er
sucht Gott allein und verachtet die Güter und Ehren dieser Welt.
Er schaut allein auf die Güter des Himmels, er hat keinen
Geschmack an den Vergnügungen dieses Lebens und sucht sein Glück
allein, indem er Gott dient. Er besucht gern den Gottesdienst, er
empfängt häufig die Sakramente und befasst sich ernsthaft
mit seinem Heil. Er verabscheut jede Unreinheit, und er flieht
schlechte Gesellschaft, so gut er kann, um seinen Leib und seine
Seele rein zu erhalten. Er unterwirft sich dem Willen Gottes in allen
Kreuzen und Widrigkeiten, die ihn treffen. Er klagt niemanden an,
aber er bekennt, dass er selbst in seiner Sündhaftigkeit mit der
Gerechtigkeit Gottes beschenkt wurde.
Als guter Vater sucht
er nur das Heil seiner Kinder, indem er ihnen ein gutes Beispiel
gibt, und er tut nie etwas, was ihnen ein ärgernis sein kann.
Als gütiger Herr liebt er seine Diener, als wären es seine
Brüder und Schwestern. Als Sohn ehrt er Vater und Mutter und
sieht sie so an, wie wenn sie den Platz Gottes selbst einnähmen.
Als Hausangestellter sieht er in der Person seiner Herrschaft Jesus
Christus selbst, der ihm durch ihren Mund seine Aufträge gibt. …
Wir können Heilige werden, weil Gott uns dazu seine Gnade
niemals verweigern wird.
[G.
Rossé: Der Pfarrer von Ars / Lebensweg - Gedanken - Predigten,
übersetzt von H. Beyrink. München - Zürich - Wien 1999]
Kaspar Stanggassinger († 1899):
Die Treue im
Kleinen ist die Hauptsache. Die Heiligen sind nicht deshalb heilig
geworden, weil sie Wunder gewirkt haben, sondern deswegen, weil sie
treu waren im Kleinen.
(Exerzitien 1895)
Der Priester, Widerstandskämpfer und Märtyrer Hermann Joseph Wehrle († 1944):
Wenn Gott spricht
- auch durch anscheinend natürliche Zulassungen -, dann versagen
die gewöhnlichen menschlichen Begriffe, dann stehen wir dem
Unfassbaren gegenüber, für das es keine natürliche
landläufige
Erklärung
gibt. Dann muss sich
der Glaube bewähren! Das lehrt die Erfahrung, das lehrt das
Vorbild aus dem Leben der Heiligen. Die besten Menschen aller Zeiten
zu Brüdern und Schwestern haben zu dürfen, die, bereits am
Ziele angelangt, kein anderes Interesse mehr haben, als uns auch
dorthin zu bringen, wo sie bereits wohnen dürfen. Sie waren
Menschen wie wir, behaftet mit Schwächen und Fehlern, aber aus
der Kraft der Gnade ihres Königs haben sie alles überwunden:
Des Königs Gebot war ihr Gebot, des Königs Weg war ihr Weg,
der königliche Weg des Kreuzes; des Königs Ehre war ihre
Ehre, darum ist das Sitzen an der Tafel des Königs ihr Glück
für alle Ewigkeit.
[Franz
J. Morschhäuser: Hermann Joseph Wehrle (1899 - 1944). Zeuge des
Glaubens in bedrängter Zeit. St. Ottilien 2000, S. 112f]
Eustachius Kugler († 1946):
Willst du heilig sterben, so
musst du heilig gelebt haben.
[Frater
Magnus Morhardt: Gottvertrauen und Nächstenliebe / Ein
geistliches Profil von Frater Eustachius Kugler. München 2008]
Zdenka Schelingová († 1955):
Die Heiligkeit
hängt nicht von verschiedenen Übungen ab, sondern von der
Neigung des Herzens, die uns demütig macht und überzeugt
von der eigenen Schwäche. Wir haben immer die Gewissheit, dass
wir in Gottes Händen sind und können uns ganz auf seine
väterliche Güte verlassen.
[Selige
Schwester Zdenka / Ihr Leben - Gebete - Gedanken, Bratislava 2003]
Papst Johannes XXIII. († 1963):
Man kann mit einem Hirtenstab
in der Hand heilig werden, aber ebenso gut mit einem Besen!
Wir Leute von
der Straße
: Dieser 1938 in den Études
Carmelitaines
veröffentlichte Text ist ein Schlüsseltext
für das Verständnis von Magdalena Delbrêl
(† 1964), eine Art Manifest ihrer Spiritualität
und ihrer kleinen Gemeinschaft. Die Gegebenheiten des Lebens mitten
in der Welt
, auf den Straßen der Stadt
sind für sie der Ort der Heiligung:
Es gibt Orte, an
denen der Geist weht, aber es gibt einen Geist, der allerorten weht.
Es gibt die Leute, die
Gott nimmt und beiseite stellt. Andere gibt es, die lässt er in
der Masse, die zieht er nicht aus der Welt zurück
.
Es sind die Leute, die eine gewöhnliche Arbeit verrichten, eine
gewöhnliche Wohnung haben und gewöhnliche Ledige sind.
Leute, die gewöhnliche Krankheiten, gewöhnliche
Traueranlässe haben. Leute, die ein gewöhnliches Haus
bewohnen und gewöhnliche Kleider tragen. Es sind Leute des
gewöhnlichen Lebens. Leute, die man in einer beliebigen Straße
antrifft. Sie lieben ihre Tür, die sich zur Straße hin
öffnet, wie ihre der Welt unsichtbaren Brüder die Tür
lieben, die sich endgültig hinter ihnen geschlossen hat. Wir
andern, wir Leute von der Straße, glauben aus aller Kraft, dass
diese Straße, dass diese Welt, auf die uns Gott gesetzt hat,
für uns der Ort unserer Heiligkeit ist. Wir glauben, dass uns
hier nichts Nötiges fehlt, denn wenn das Nötige fehlte,
hätte Gott es uns schon gegeben.
[Madeleine
Delbrêl. In: Quellen geistlichen Leben, Band 4, hrsg. von Gisbert
Greshake und Josef Weismayer. Matthias-Grünewald-Verlag,
Ostfildern 2008, S. 160f]
4.1 Sinn und Bedeutung der Heiligenverehrung
Wer den Herrn ehrt, ehrt auch die Heiligen: Epiphanius von Pavia (BKV 258).
Gegen übertriebene Heiligen-Verehrung: Epiphanius von Pavia (BKV 258).
Warum und wie wir die Heiligen verehren sollen: Johannes von Damaskus (BKV 223 - 227).
Heilige bedeuten Heil für viele Menschen: Ambrosius von Mailand (BKV II 32).
Radbod von Utrecht († 917):
Lasst uns den
Herrn unseren Gott in seinen Heiligen loben und dieselben
wechselweise in ihm loben und verehren; denn Gott und seinen Heiligen
zu dienen, heißt wahrhaft leben, und alle Zeit dabei zu
verbleiben, heißt klug die Schlingen der Vergehen zu meiden.
Franz Stock (†
1948) sprach am 26. April 1947 zu den etwa 165
deutschen Priesterseminaristen im Gefangenenlager u. a. Folgendes:
Eine Zahl von
der Vorsehung gewollter Heiliger wird genügen, unsere Epoche zu
retten. Heilige, die sich ganz dieser Aufgabe hingeben und die Werte
unserer Zeit in Tugenden umsetzen werden. … Heilige, die ihre
Bindung an das Vaterland mit der Liebe zur gesamten Menschheit zu
versöhnen wissen, hinweg über alle Ländergrenzen,
Nationen, Rassen oder Klassen. Es ist die Vorsehung, die uns diesen
Anruf zur Heiligkeit entgegenschleudert durch die Stimme der
Geschichte, und wir müssen ihn hören, und der Welt die
Botschaft von Freiheit und Frieden, Heil und Liebe zu bringen.
[Hanns Cornelissen: Abbé
Franz Stock. Dreiklang einer Freundschaft. Deutscher
Spurbuchverlag, Baunach 2001, S. 132]
4.2 die Heiligen als Vorbilder
Gott hat uns die Heiligen als Beschützer und Vorbilder an die Seite gestellt: Papst Leo „der Große” (BKV II 258).
Johannes „Chrysostomus” († 407)
vergleicht die Heiligen
mit einem Spiegel. Beim Friseur verwenden wir einen Spiegel, mit dem
wir unseren Haarschnitt überprüfen:
Wenn aber unsere
Seele nicht nur unförmig, sondern geradezu tierförmig wie
die einer Skylla oder einer Chimäre geworden ist, wovon uns
heidnische Mythen berichten, dann nehmen wir dies nicht im geringsten
wahr. Und doch gibt es auch hierfür einen geistigen Spiegel, der
noch viel besser und nützlicher ist als jener [materielle]; denn
er zeigt uns nicht nur unsere Missgestalt, sondern verwandelt sie
auch in unvergleichliche Schönheit, wenn wir nur wollen. …
Dieser Spiegel aber ist
das Andenken an edle Männer, die Geschichte ihres vorbildlichen
Lebens, ist die Lesung der Hl. Schrift, sind die von Gott gegebenen
Gesetze. Ja, wenn du nur ein einziges Mal die Bilder jener Heiligen
sehen wolltest, wirst du das Unansehnliche deiner eigenen Gesinnung
sehen, und du wirst nichts anderes mehr brauchen, um dich von dieser
Hässlichkeit zu befreien. Gerade dafür dient uns dieser
Spiegel, er erleichtert uns die änderung.
[Homilie in Mt 1, 1.21. In: MPG 57, Sp. 13-14. 49 f; BKV II
23, S.12, 74f b]
Athanasios von Alexandria († 373)
äußert sich über das Verstehen der Heiligen:
Ohne reinen Sinn
und Nachahmung des Lebens der Heiligen kann wohl niemand die Sprache
der Heiligen verstehen. Denn wie einer, der das Licht der Sonne sehen
möchte, gewiss das Auge abwischt und reinigt und sich durch die
Reinigung dem Sehobjekt fast ähnlich macht, damit das Auge, so
gleichsam Licht geworden, das Sonnenlicht schaue, oder wie einer, der
eine Stadt oder ein Land sehen möchte, sich ganz sicher an die
Stätte begibt, um seine Beobachtung zu machen, so muss der,
welcher die Gedanken der Gottesgelehrten verstehen will, seine Seele
im Leben zuvor abwaschen und reinigen und durch gleichartige
Handlungen den Heiligen selbst nahe kommen, damit er durch einen
gleichen Lebenswandel mit ihnen verbunden auch das verstehe, was
diesen von Gott geoffenbart worden ist.
[Athanasios von Alexandria. In:
MPG 25, Sp. 195 - 198]
Julian von Speyer
(† um 1250) stellte in der Einleitung zum Leben des
heiligen Franziskus
fest, dass die Heilige Schrift von den Schwächen
und Verfehlungen mancher Heiliger vor ihrer Bekehrung berichtet.
Dadurch sollen die gerechten und unschuldigen Leser von Stolz und
Eigendünkel abgehalten und die Sünder vor Verzweiflung
bewahrt werden:
In der Heiligen
Schrift wird von den früheren Schwächen mancher Heiliger,
die Gott mit dem Vorzug besonderer Verdienste auszuzeichnen
beschloss, deshalb berichtet, weil in der Verwunderung und dem
Lobpreis über die unerforschliche Tiefe des göttlichen
Ratschlusses, durch den sie als Gefallene wegen ausgezeichneter
Verdienste über die meisten Gerechten erhoben werden, weder die
Unschuldigen, sich gleichsam auf die Gerechtigkeit verlassend (Ez
33,13), die in den tiefsten Lastern Niedergeworfenen verachten, noch
auch die Sünder, die über ihre Untaten verzweifelt sind und
nicht wagen, um der Vergebung willen zur Quelle der Gnade zu eilen,
Gott zu sehr fürchten.
[Julian von Speyer: Leben des heiligen Franziskus, übersetzt von
Jason M. Miskuly, OFM. = Franziskanische Quellenschriften, Bd. 10. Werl
/ Westf. 1989]
Johannes-Baptist Vianney (†
1859):
Die Heiligen
haben nicht alle gut angefangen, aber sie haben alle gut geendet.
Die Heiligen sind
wie kleine Spiegel, in denen Jesus Christus sich selbst betrachtet.
Papst Johannes Paul II.
(† 2005):
Die Heiligen haben diese Worte
[d. h. die Seligpreisungen] Jesu ernst genommen. Sie glaubten, dass
sie die
Glückseligkeit
durch die konkrete
Umsetzung dieser Worte in ihrem Dasein erreichen würden. Und sie
haben deren Wahrheit in der täglichen Konfrontation mit dem
Erlebten erfahren: Trotz der Prüfungen, der Dunkelheit und der
Misserfolge haben sie bereits hier auf Erden die tiefe Freude der
Gemeinschaft mit Christus gekostet. In Ihm haben sie den Urkeim der
künftigen Herrlichkeit des Reiches Gottes, der in der Zeit
gegenwärtig ist, entdeckt.
4.3 die Heiligen als Fürbitter
Gewaltige Macht der Gebete der Heiligen: Johannes „Chrysostomus” (BKV I 93f).
Anrufung von Heiligen um ihre Fürbitte: Syrische Didache (BKV 11, 15, 96f und öfter).
Papst Leo „der Große” (†
461):
Erwerbt euch durch löbliche Nacheiferung
ihre Fürbitte!
[BKV
II 248, 252, 258]
Petrus Pavliček(† 1982):
Im Gebet finde
ich das Geheimnis aller Heiligen, dass sie immer erhört werden,
weil sie niemals um etwas bitten, was gegen den Willen Gottes wäre.
Das Geheimnis der
großen Erfolge mancher Heiliger liegt darin, dass sie die Macht
des Gebetes erkannt haben. Wer die Allmacht hinter sich hat, dem
gelingen die wunderbarsten Werke, weil man nichts sich selbst,
sondern alles Gott zuschreibt, was man Gutes tun darf.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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