Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Sünde und Schuld
Sünde ist mehr als eine moralische oder soziale Verfehlung, sie bedeutet auch Abkehr von Gott. Die Schwere der Sünde ist dabei sehr unterschiedlich und hängt ab von objektiven und subjektiven Faktoren.
1. Ursprung und Wesen der Sünde
2. Arten der Sünde
3. Unvermeidlichkeit der (Alltags-)Sünden
4. Wirkungen der Sünde
5. Mittel der Abhilfe
6. Warnung vor Verzweiflung
7. Hauptsünden und Laster
8. Sünde gegen den Heiligen Geist
1. Ursprung und Wesen der Sünde
Sünde ist, was Gott der Gute verbietet: Tertullian (BKV I 228).
Entscheidend ist der böse Wille: Tertullian (BKV I 229f) bzw. der freie Wille: Cyrill von Jerusalem (BKV 34 - 37).
Sünde und Teufel: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 230); Johannes von Damaskus (BKV 246f).
Sünde ist ein Teufel, den man sich selbst schafft: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 239).
Sünde ist Undank gegenüber Gott: Tertullian (BKV I 232f); Johannes „Chrysostomus” (BKV II 89f; III 268f)
Thomas von Aquin
(† 1274):
Sünde ist die Abwendung von Gott und
die Hinwendung zur Schöpfung (aversio a Deo et conversio ad
creaturam)
2. Arten der Sünde
Es gibt verschiedene Schwere der Schuld: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 50f); er gibt dafür biblische Beispiele: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 284f)
Der tiefe Fall beginnt mit kleinen Sünden: Johannes „Chrysostomus” (BKV IV 190 - 192), diese töten, wenn sie vernachlässigt werden: Augustinus von Hippo (BKV IV 216).
Tägliche und schwere Sünden: Augustinus von Hippo (BKV III 420, 423 - 27; VIII 451f)
Unterschiedliche Zungensünden: Johannes „Chrysostomus” (BKV III 122 -124).
Flagitia (Sünde gegen sich selbst) u. facinora (Sünde gegenüber anderen): Augustinus von Hippo (BKV VIII 122f).
Zeno von Verona
(† um 380.):
Das ist die wahre Größe
des Glaubens, dass der Mensch Gott treu dient; dass er auf ihn allein
sein Vertrauen setzt; dass er erkennt, dass er seine Bezeichnung
Fidelis (der Gläubige) von Fidelitas (Glaubenswilligkeit) und
Fiducia (gläubiges Vertrauen) trägt; dass er ein
schuldloses Leben führt; dass er nur mit einem guten Gewissen,
aber nicht mit Geschwätzigkeit, die in Wirklichkeit die Mutter
von Sünde ist, Gott zu erkennen wagt; dass er die eine Fülle
der Macht der Dreifaltigkeit, die als eine im Geist, als eine im
Glauben erfasst wird, nicht verletzt, sondern verehrt.
Mit Recht hasst
Gott … die Habsucht. Sie ist ein unergründliches Verlangen,
eine blinde Begierde, eine wahnsinnige Leidenschaft, eine Raubsucht,
die keine Grenze hat, eine Spannung, die keine Ruhe findet, die nie
zum Ziel ihrer Wünsche kommt, weil sie kein Genügen kennt,
Sie bricht die Treue; sie vernachlässigt die Liebe; sie
verleugnet die Gerechtigkeit; sie erkennt keine Gefühle an; sie
setzt sich über die göttlichen Rechte hinweg; sie macht die
menschlichen durch spitzfindige Beweisführungen zunichte, um,
wenn möglich, die ganze Welt an sich zu reißen, Wollt ihr
wissen, was für eine Art des Unheils sie ist? Sicherlich richtet
sie ihre Wut gegen denjenigen, der sie liebt, noch mehr als gegen
andere. Doch wer sie überwindet, der wird das ewige Leben
haben.
[Des heiligen
Bischofs Zeno von Verona Traktate, übersetzt von Andreas Bigelmair.
BKV, 2. R. Bd. 10. München 1934, S. 65f, 144]
Andreas „Crisinus” von Kreta
(† 767 ?):
Der Anfang des
Stolzes ist der Hochmut. Denn wer die anderen verachtet und sie für
nichts hält, sondern die einen für arm, die anderen für
unedel, wieder andere für ungebildet und unverständig,
andere für ungerecht und sündig, wird von diesem Hochmut
eingenommen und glaubt, nur er selbst sei weise, verständig,
wohlgeboren, reich, fähig und besser als alle Menschen und so
ist der Hochmut der Anfang des Stolzes und der Stolz ein Übel,
das mit dem Hochmut verwandt ist. Deswegen wird der bekannte Tag des
Herrn über jeden Hochmütigen und Stolzen die Strafe
bringen; denn die verwandten Sünden werden in gleicher Weise
bestraft.
[S. Andreae Cretensis oratio XX: In argumento Publicani et Pharisaei, MPG
97, Sp. 1259f; eigene Übersetzung]
3. Unvermeidlichkeit der (Alltags-)Sünden
Es gibt keinen Menschen, der nie gesündigt hat (außer Jesus): Origenes (BKV II 275f, 284); Augustinus von Hippo (BKV VI 135 und öfter).
Es ist angebracht, täglich für seine Sünden zu beten, da wir täglich sündigen: Cyprian von Karthago (BKV I 184; vgl. I 276).
Hochmütig oder töricht ist, wer sich für schuldlos erklärt: Cyprian von Karthago (BKV I 262).
Sündlosigkeit übersteigt die Kraft des Menschen: Gregor von Nazianz (BKV I 335); Gregor von Nyssa (BKV 143 - 145).
Sünde ist Ursache aller Übel: Makarius der Ägypter (BKV 155f), sie macht die Seele traurig (BKV 245 - 247).
Sünde wird durch Gewohnheit zur zweiten Natur: Makarius der Ägypter (BKV 302).
Albertus Magnus
(† 1280):
Du hast, o Gott,
es so eingerichtet, dass jeder ungeordnete Geist sich selbst zur
Strafe wird.
Gregor Sinaites
(† 1346):
Wenn wir nicht erkennen, als
welche uns Gott geschaffen hat, werden wir nicht
erkennen, zu welchen uns die Sünde gemacht hat.
Die deutsche Schriftstellerin Gertrud von le
Fort († 1971):
Zwischen Sündern und
Gerechten gibt es eine Gemeinschaft, denn es gibt überhaupt
keine Gerechten.
Der Priester und Widerstandskämpfer Alfons Maria
Wachsmann († 1944:)
Sage jedem, dass es
nur ein Unglück gibt: die Sünde.
4. Wirkungen der Sünde
Sünde ist wahrer Grund zur Trauer: Basilius „der Große” (BKV II 225).
Sünde macht unglücklich: Johannes „Chrysostomus” (BKV II 325).
Der zur
Gewohnheit gewordenen Aufenthalt im Schatten der fleischlichen
Gelüste
macht unfähig zur Erkenntnis Gottes:
Augustinus von Hippo (BKV VIII 21).
Der Kaufmann und geistliche Schriftsteller im Umfeld der Mystik des 14. Jahrhunderts Rulmann Merswin (†
1382):
Der Eigenwille ist vom Teufel und die
Quelle des Unfriedens.
Josef von Calasanz († 1648):
Hüte dich vor
dem ersten Fehltritt; bald folgen mehrere und endlich wird Gewohnheit
zur Sünde. Koste ja nie süßes Gift, auch in goldenen
Schalen dargereicht, denn der Tod ist die unvermeidliche Folge.
Maria von der Menschwerdung Guyart Martin († 1672):
Du
musst nicht erstaunt sein, wenn du in deinen Handlungen Fehler
entdeckst. Deine Augen werden in diesem Zustand der Einung, wohin der
Geist Gottes dich ruft, aufgetan. Je mehr Licht der Geist dir gibt,
desto mehr Unvollkommenheiten wirst du entdecken. Du wirst
feststellen, dass sie immer feiner werden, aber auch immer
vielfältiger. Es handelt sich da nicht mehr um grobe Laster oder
solche Unvollkommenheiten, wie man sie früher begangen hat, aus
Anhänglichkeit, durch überraschung oder aus Gewohnheit.
Jetzt sind deine Fehler viel innerlicher und viel schwerer zu
benennen. Der Geist Gottes, der nichts Unreines duldet, lässt
der Seele keine Ruhe, dass sie darauf aus ist, das, was schon
gereinigt scheint, noch reiner werden zu lassen.
[Henri
Bremond: Falsche und echte Mystik (Jeanne des Anges und Marie de
l'Íncarnation). Regensburg 1955, S. 200f]
Ivan Merz (†
1928):
Die Sünde ist
der Grund für die größten Katastrophen der Menschheit.
Der Weg jedes Apostolats ist der Kampf gegen die Sünde.
5. Mittel der Abhilfe
Besserung nur mit Gottes Gnade: Ambrosius von Mailand (BKV II 25f); vgl. Makarius der Ägypter (BKV 12 - 14).
Mittel zur Vergebung der kleineren täglichen Sünden: Augustinus von Hippo (BKV VIII 458)
Gebet als Schutz: Gregor von Nyssa (BKV 90 - 92).
Schutz durch den Gedanken an Gottes Gegenwart: Johannes „Chrysostomus” (BKV VII 121).
Genugtuung durch Almosen und Fasten: Papst Leo „der Große” (BKV I 54).
Den Anfängen widerstehen: Gregor von Nyssa (BKV 131 - 133); Johannes „Chrysostomus” (BKV V 233 - 236).
Befreiung durch Christus: Augustinus von Hippo (BKV V 199 - 202); vgl. Ambrosius von Mailand (BKV II 219f).
Der Sünder soll über sich weinen, um gerecht zu werden: Ambrosius von Mailand (BKV II 233f).
Verzeihung durch reuige Selbstanklage: Augustinus von Hippo (BKV IV 214 - 216).
Gott erhört auch die Sünder: Augustinus von Hippo (BKV V 246).
Methodios von Olympos († 251 ? oder 312):
Dann
beseitigt die Umkehr jede Sünde, wenn sie bei einer Versündigung
der Seele keinen Aufschub duldet und der [bösen] Begierde keine
lange Zeit einräumt; so wird das übel keine Spur in uns
hinterlassen können, da es wie frisches [Un-]Kraut, schon bei
Beginn ihres Einwurzelns ausgerissen wurde.
Johannes Tauler
(† 1361):
Das Pferd macht
den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an
sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe
auf das Feld, und daraus wächst sodann schöner Weizen und
der edle, süße Wein, der niemals wüchse, wäre
der Mist nicht da. Also trage deinen Mist - das sind deine Gebrechen,
die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst - mit Mühe
und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in
rechter Gelassenheit deiner selbst. Es wächst ohne allen Zweifel
in einer demütigen Gelassenheit köstliche, wohlschmeckende
Frucht daraus.
[Aphorismen.de]
Aloisius von Gonzaga († 1591:)
Wer auch in kleineren
Dingen in Schuld fällt, gehe sogleich zu Gott, erflehe von ihm
Verzeihung und bitte ihn um die Gnade, ihn nicht mehr zu beleidigen,
und stehe so unverweilt wieder auf.
Josef von Copertino († 1663):
Eine Kerze, die
vorher ausgelöscht wurde, wird schnell wieder angezündet.
So ergeht es dem Sünder, der versagt hat, aber es gleich
bereut.
Der französische Dominikaner und
Apostel der Gefängnisse
Jean Joseph Lataste († 1869):
Es ist doch wahr, dass
die größten Sünder, die größten
Sünderinnen etwas an sich haben, was sie zu den größten
Heiligen macht; wer weiß, ob sie es nicht eines Tages werden!
Gott betrachtet
nicht das, was wir einmal gewesen sind, ihn kümmert nur, was wir
[jetzt] sind.
Die französische Mystikerin Lucie Christine
(† 1908):
Sooft ich an den andren etwas
Unrechtes sehe, will ich immer daran denken, wie schwach ich selber
bin und wie sehr ich an den anderen etwas Unrechtes sehe, will ich
immer daran denken, wie schwach ich selber bin und wie sehr ich
hinter meinen guten Absichte zurückbleibe.
[Tagebuch 1872]
Franziska Xaviera Cabrini († 1917):
Um nicht in Sünde
zu fallen, müssen wir uns beständig selbst und auch den
Tugenden misstrauen, an deren Besitz uns unsere Eigenliebe glauben
lässt, und rein auf die Hilfe Gottes vertrauen.
[15. August 1884]
Alfred Delp (†
1945)
Mit der Schuld ist es
wie mit einer Fessel: Sie kann nur lösen,
wer den Schlüssel hat. Und den hat auch die stärkste
Sehnsucht meines Herzens nicht. Mit der Schuld ist
es wie mit meiner Zellentür. Da hilft mir selbst der Schlüssel
nichts, den ich hätte. Sie hat innen kein Schlüsselloch.
Sie kann nur von außen geöffnet werden. Gegen
die Schuld steht Gott: als Kläger und Richter, so
der Mensch auf ihr beharrt; als Befreier und Retter, so
der Mensch sich zu Gott wendet, sich mit ihm gegen sein
Unheil verbündet.
[Alfred Delp: Mit gefesselten Händen. Aufzeichnungen aus dem Gefängnis.
Frankfurt a. M. 2007, S. 72]
6. Warnung vor Verzweiflung
Auch bei unzähligen schweren Sünden nicht verzweifeln:Johannes „Chrysostomus” (BKV III 359 - 365; VI 88f); vgl. Augustinus von Hippo (BKV V 112 - 114).
Benedikt von Nursia († 547 oder um 560):
An Gottes
Barmherzigkeit niemals verzweifeln!
Papst Gregor „der Große”
(† 604):
Vor der Sünde fürchte
Gottes Gerechtigkeit! Nach der Sünde hoffe auf Gottes
Barmherzigkeit!
Isaak von Ninive
(† um 700):
Wenn du durch Versuchungen zu
Fall kommst, gib deine Hoffnung nicht auf. Denn jeder Kaufmann, der
die Meere und Länder bereist, macht auch einmal einen Verlust;
und kein Bauer erntet alles, was er gesät hat.
7. Hauptsünden und Laster
Basilius „der Große” († 379):
Neid schadet am
meisten dem, der ihn hegt, anderen gar wenig. Gleich wie der Rost das
Eisen frisst, so frisst der Neid den Neider.
Zeno von Verona
(† um 380):
Mit Recht hasst
Gott … die Habsucht. Sie ist ein unergründliches Verlangen,
eine blinde Begierde, eine wahnsinnige Leidenschaft, eine Raubsucht,
die keine Grenze hat, eine Spannung, die keine Ruhe findet, die nie
zum Ziel ihrer Wünsche kommt, weil sie kein Genügen kennt,
Sie bricht die Treue; sie vernachlässigt die Liebe; sie
verleugnet die Gerechtigkeit; sie erkennt keine Gefühle an; sie
setzt sich über die göttlichen Rechte hinweg; sie macht die
menschlichen durch spitzfindige Beweisführungen zunichte, um,
wenn möglich, die ganze Welt an sich zu reißen, Wollt ihr
wissen, was für eine Art des Unheils sie ist? Sicherlich richtet
sie ihre Wut gegen denjenigen, der sie liebt, noch mehr als gegen
andere. Doch wer sie überwindet, der wird das ewige Leben
haben.
[Des
heiligen Bischofs Zeno von Verona Traktate. aus dem Lateinischen übersetzt von Andreas Bigelmair,
BKV 2. R. Bd. 10. München 1934, S. 144]
Sara die Einsiedlerin (†
4./5. Jahrhundert):
Die folgenden
Sünden treiben von der Seele das Gedenken an Gott aus: die
Redseligkeit, die Gefallsucht, das Lachen, der Aufenthalt außerhalb
der Zelle, der Umgang mit einem Mann, der Zorn, die Vernachlässigung
der Lesung und der Betrachtung der Heiligen Schrift, die irdischen
Sorgen, das Vergessen des Todes. All diese treiben das Andenken an
Gott aus. Die weise Nonne aber, die in sich etwas von diesen übeln
bemerkt, beeilt sich, wie eine eifrige Dienerin Gottes, sich zu
bessern; dadurch entgeht sie allen Netzen des Dämons.
Wie man erst mit
dem Rauch die Bienen abwehrt und dann den Honig ihrer Mühe
nimmt, so vertreibt die Bequemlichkeit des Leibes die Gottesfurcht
von der Seele und zerstört alles, was die Seele an Gutem getan
hat.
Solange du noch
im Leibe bist, sei nicht eitel, auch dann nicht, wenn du etwas Gutes
getan hast, damit nicht dadurch der Feind einen Zugang zu dir finde
und dich nicht ins Verderben stürzen kann.
[Meterikon.
Die Weisheit der Wüstenmütter, hrsg. und übersetzt von
Martirij Bagin u. Andreas-Abraham Thiermeyer. Sankt Ulrich Verlag
Augsburg 2004, Nr. 71. 72]
Hieronymus (†
420 ?):
Nichts beleidigt
Gott mehr, als wenn man am Schlimmen hängenbleibt, weil man an
der Besserung verzweifelt. Denn gerade die Verzweiflung ist ein
Zeichen des Unglaubens.
Johannes Cassianus
(† um 433):
Mit Gottes Hilfe
wollen wir jetzt das Fünfte Buch in Angriff nehmen. … Machen
wir uns nunmehr bereit - Gott gebe uns die dazu erforderliche Kraft
auf Eure Fürbitte hin! - uns ganz dem Kampf gegen die Acht
Hauptlaster (vitia principalia) zu widmen, nämlich dem Kampf:
erstens gegen das
vitium gastrimargiae (Gier beim Essen und Trinken)
zweitens gegen das
vitium fornicationis (sexuelle Zügellosigkeit)
drittens gegen das
vitium filargyriae (Geldliebe, Geldgier, Versessenheit auf materielle
Güter, Habsucht, Geiz)
viertens gegen das
vitium irae (Zorn)
fünftens gegen das
vitium tristitiae (Trübsinn, resignative Verstimmtheit)
sechstens gegen das
vitium acediae (überdruss, geistliche Lustlosigkeit und
Trägheit, Herzenslahmheit, verdrossene Gleichgültigkeit)
siebtens gegen das
vitium cenodoxiae (eitle Ruhmsucht, Geltungssucht, gespreiztes Wesen)
achtens gegen das
vitium superbiae (Hochmut, Stolz, überheblichkeit.
[Johannes Cassianus: Spannkaft der Seele. Einweisung in das christliche Leben I,
ausgewählt und übertragen von Gertrude u. Thomas Sartory. Herderbücherei 1981,
S. 47]
Theodor von Canterbury († 690) benennt die
Hauptsünden und die ihnen untergeordneten Sünden:
Nun will ich dir die
acht Hauptsünden vorstellen. … Aus ihnen entspringen alle
übrigen Laster:
Aus dem Hochmut, der
Ursprung jeder Sünde und König aller übel ist,
entspringen Ungehorsam, Anmaßung, Hartnäckigkeit,
Streitereien, Häresien, Stolz.
Aus Neid und Missgunst
entspringen Hass, Ohrenbläserei, Herabsetzung, Freude, wenn dem
Nächsten etwas Schlimmes zustößt, Betrübnis,
wenn es ihm gut geht.
Aus eitler Ruhmsucht
kommen Prahlerei, Anmaßung, Entrüstung, Zwietracht, eitle
Ruhmgier und Heuchelei.
Zorn ist die Quelle von
Händel, Aufgeblasenheit, Schmähungen, Geschrei, Entrüstung,
Vermessenheit, Lästerungen, Blutvergießen, Totschlag,
Rachsucht, Nachträglichkeit.
In der Traurigkeit
wurzeln Bosheit, innerer Groll, Kleinmut, Bitterkeit, Verzweiflung,
Betäubung, innere Unstetigkeit, oft auch höchster
Lebensgenuss.
Aus der Habsucht
entspringen Missgunst, Diebstahl, Raub, Mord, Lüge, Meineide,
Raubzüge, innere Unruhe, Gewalttätigkeiten, ungerechtes
Urteil, Verachtung der Wahrheit, Vergessen des künftigen
Glückseligkeit, Verhärtung des Herzens.
Aus der Völlerei
kommen unpassende Fröhlichkeit, Possenreißerei,
Leichtsinn, Geschwätzigkeit, körperliche Unreinheit,
geistige Instabilität, Trunksucht, Wollust, sinnliche
Stumpfheit.
Aus der
Verschwendungssucht erwächst geistige Blindheit, Unüberlegtheit,
Unbeständigkeit, Unbeherrschtheit der Augen und des ganzen
Körpers, Hass auf die Gebote Gottes, Weltverfallenheit,
Zukunftsangst und Verzweiflung.
[Aus dem Bußbuch c. 12. MPL 99, Sp. 940f;
eigene Übersetzung]
Andreas „Crisinus” von Kreta
(† 767 ?):
Der Anfang des
Stolzes ist der Hochmut. Denn wer die anderen verachtet und sie für
nichts hält, sondern die einen für arm, die anderen für
unedel, wieder andere für ungebildet und unverständig,
andere für ungerecht und sündig, wird von diesem Hochmut
eingenommen und glaubt, nur er selbst sei weise, verständig,
wohlgeboren, reich, fähig und besser als alle Menschen und so
ist der Hochmut der Anfang des Stolzes und der Stolz ein übel,
das mit dem Hochmut verwandt ist. Deswegen wird der bekannte Tag des
Herrn über jeden Hochmütigen und Stolzen die Strafe
bringen; denn die verwandten Sünden werden in gleicher Weise
bestraft.
[S. Andreae
Cretensis oratio XX: In argumento Publicani et Pharisaei, MPG 97, Sp.
1260; eigene Übersetzung]
Mechthild von Magdeburg († 1282 oder 1285 oder 1294) stellt
Tugenden und Untugenden einander gegenüber:
Der Reichtum
vergänglicher Dinge ist ein untreuer Gast, die heilige Armut
fördert zu Gott eine kostbare Last.
Die Eitelkeit bedenkt
nicht ihren Schaden, die Stetigkeit ist mit allen Tugenden voll
beladen.
Die Dummheit findet an
sich selber Behagen, die Weisheit kann nie genug erfragen.
Der Zorn bringt die
Seele in große Finsternis, die heilige Sanftmut ist aller
Gnaden gewiss.
Die Hoffart will stets
die erste sein. Die Demut kann anders nicht ruhen, als allen
Kreaturen zu Diensten zu sein.
Die eitle Ehre ist vor
Gott taub und blind, unverschuldete Schmach heiligt das Gotteskind.
Die Gier hat immer
einen schreienden Mund, das glückliche Maß hat stets einen
süßen Grund.
Die Trägheit lässt
reichen Gewinn außer acht, heiliger Fleiß ist nicht auf
sein Glück bedacht.
Die Untreue gibt immer
falschen Rat, vollkommene Treue versäumt nie gute Tat.
Wahre Geistlichkeit
kann sich an niemandem rächen, das unruhige Herz will immer den
Frieden brechen.
Die heilige Andacht
kann nichts Böses begehen, der böse Wille mag niemandem
unterstehen.
Die Bosheit hat von
Natur einen hässlichen Grund, die göttliche Gnade ein
liebes Gesicht und einen süßen Mund.
Die versteckte
Grausamkeit hat einen glatten Mund, die offene Freundlichkeit birgt
den Gottesfund.
Die falsche
Aufmerksamkeit wohnt sehr nahe dem Hass, die heilige Barmherzigkeit
will allein sein mit Gott.
Der Hass wütet
ohne Unterlass, immerdar, die Minne brennt ohne Schmerzen, ist aller
Leiden bar.
Die böse Missgunst
hasst Gottes Freigebigkeit, das reine Herz freut sich liebevoll aller
Seligkeit.
Die Nachrede schämt
sich vor Menschen, vor Gott fühlt sie sich nicht gestört,
der doch alle Dinge sieht und hört.
Die Verzweiflung ist
ein furchtbarer Fall, wahre Hoffnung erhält ihre Güter
all.
[Mechthild von Magdeburg: Ich tanze, wenn du mich führst
/ Ein
Höhepunkt deutscher Mystik. Ausgewählt und übersetzt von Margot
Schmidt. Verlag Herder, Freiburg i. B. 2001]
Thomas Morus (†
1535):
Da die Menschen
in ihrem Tun sich ungern nach der Vorschrift Christi ausrichten
ließen, haben sie seine Lehre wie einen Messstab aus weichem
Blei nach ihren Sitten gestreckt, damit eben beides noch einigermaßen
übereinstimme. Ich weiß nicht, was sie damit erreichen,
außer dass man mit besserem Gewissen Böses tun darf.
Bartholomäus Holzhauser († 1658):
Nichts ist im
Leib des Menschen verführerischer als die Begierlichkeit des
Fleisches und nichts ist im Herzen des Menschen verführerischer
als der Hochmut des Geistes. Die Wurzel, aus der alle Eitelkeit im
Verborgenen aufkeimt, ist nichts anderes als dein Verstand, dein
Licht und dein Urteil.
Ingbert (Karl) Naab (†
1935) benennt als moderne Sünde den Rassismus:
Das Christentum
verwirft die Ungleichheit der Menschen in ihren Rechten und
Pflichten. Der Heiland ist für alle gestorben und alle sind für
den Himmel bestimmt, auch die Neger, die Hitler als Halbaffen
erklärt. Es hat kein Mensch von vornherein auf Grund seiner
Rasse das Recht, über andere zu herrschen. … Wir sind vielmehr
alle bestimmt zu Kindern Gottes und zu Brüdern. … Hitlers
Rassenlehre ist vom wissenschaftlich biologischen Standpunkt aus eine
pure Einbildung, von der Geschichte her gesehen eine willkürlich
Konstruktion, bei der der Wunsch der Vater des Gedankens ist, und vom
christlichen Glauben aus volles Heidentum.
[Helmut
Witetschek: Pater Ingbert Naab O.F.M. Cap. (1885 - 1935) / Ein Prophet
wider den Zeitgeist. Verlag Schnell & Steiner, München
/ Zürich 1985, S. 55]
Johann Maier (†
1945):
Der Zorn ist eine gute Gabe Gottes. Den
Zorn nicht dort einsetzen, wo er zerstörend ist, sondern als
aufbauend.
[1. Fastenpredigt, 22. Februar 1945]
8. Sünde gegen den Heiligen Geist
Erklärung des Wortes Jesu von der Sünde wider den Heiligen Geist: Athanasios von Alexandria (BKV I 479); vgl. Johannes „Chrysostomus” (BKV II 356f).
Beharrlich gewollter Unglaube als Sünde gegen den Heiligen Geist: Augustinus von Hippo (BKV VIII 359)
Sünde gegen den Heiligen Geist begeht, wer nicht an Sündennachlass durch die Kirche glaubt und nicht Buße tut: Augustinus von Hippo (BKV VIII 470).
Franz Jägerstätter († 1943):
Die Sünde
wider den Heiligen Geist: der erkannten Wahrheit widerstreben.
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 31.08.2025
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