Ökumenisches Heiligenlexikon

Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn

Vorbemerkungen

Arten des Gebets

1. Arten des Gebets 2. Anbetung 3. Bittgebet 4. Fürbitte 5. Dank- und Lobgebet 6. Herzens- oder inneres Gebet 7. Psalmengebet 8. Rosenkranz 9. Stoßgebete 10. Stufen des G. 11. Vater unser

1. Die verschiedenen ARTEN mit biblischen Beispielen: Origenes (BKV I 51-54)

Lob-, Dank-, Selbstanklage- , Bittgebete: Origenes (BKV I 145f.)

Wilhelm von Thierry († 1148/49) gibt eine übersicht über verschiedene Arten des Gebets:

"Es gibt nämlich verschiedene Gebete. Die einen sind kurz und einfach, wie sie der Wille oder die Not des Betenden nach dem jeweiligen Ereignis formt. Die anderen sind länger und verstandesmäßig. Es sind das die Gebete von Menschen, die in der Erforschung der Wahrheit bitten, suchen und anklopfen, bis sie erhalten, finden und bis ihnen aufgetan wird (Mt 7,7). Wieder andere sind feurig, voll geistlicher Eingebung und fruchtbar. Sie kommen aus der Liebe dessen, der Gott genießt, und aus der Freude über die erleuchtende Gnade.

Es sind das die Gebete, die der Apostel in einer anderen Reihenfolge anführt: inständiges Flehen, Gebete, Bitten und Danksagungen (1. Timotheusbrief 2,1). Denn wir setzen die Bitte an die erste Stelle. Sie bezieht sich auf die Erlangung irgendwelcher zeitlicher und notwendiger Dinge dieses Lebens. Dabei prüft Gott den guten Willen des Bittenden und wirkt dennoch das, was er selbst für besser hält. Er gibt aber auch dem, der in rechter Weise bittet, dass er gerne seinem Willen folgt. Von dieser Bitte spricht auch der Psalmist: ‚Denn mein Gebet erflehte bis jetzt, was ihnen gefällt‛. Das heißt: was auch den gottlosen Menschen gefällt. Diese Bitte ist nämlich allen gemeinsam, am meisten aber ist es die Bitte der Kinder dieser Welt. Sie wünschen sich die Ruhe des Friedens, die Gesundheit des Körpers, günstige Witterung und anderes, was das Bedürfnis und die Notwendigkeit dieses Lebens betrifft, und sogar das Vergnügen derer, die das Leben missbrauchen. Die nun vertrauensvoll darum bitten, mögen sie das auch nur aus Notwendigkeit erbitten, unterwerfen doch gerade darin ihren Willen dem Willen Gottes.

Das inständige Flehen ist ein ängstliches Drängen zu Gott hin während der geistlichen übungen. Wer dabei, bevor die Gnade kommt, um zu helfen, das Wissen mehrt, mehrt nur den Schmerz (Koh 1,18).

Das Gebet aber ist eine liebende Zuwendung des Menschen, der Gott anhängt, ein vertrautes und frommes Gespräch, ein Verweilen des erleuchteten Geistes, um Gott zu genießen, solange es möglich ist.

Die Danksagung aber ist in der Erfahrung und Erkenntnis der Gnade Gottes die unermüdliche und dauernde Hinwendung des guten Willens zu Gott, auch wenn die äußere Handlung oder die innere Zuneigung einmal nicht vorhanden oder gelähmt ist. Von ihr spricht der Apostel: ‚Das Wollen liegt mir nahe, aber das Vollbringen des Guten finde ich nicht‛ (Römerbrief 7,18). Er sagt damit gleichsam: Sie ist zwar immer da, aber manchmal liegt sie am Boden, das heißt, sie ist unwirksam, weil ich das Vollbringen des Guten suche, aber nicht finde. Das ist die Liebe, die niemals aufhört (1. Korintherbrief 13,8).

Das ist aber jenes Gebet ohne Unterlass, oder jene Danksagung, von der der Apostel spricht: ‚Betet ohne Unterlass! Seid immer dankbar!‛ (1 Thess 5,17f) Dieses Gebet kommt aus einer beständigen Güte des Herzens, eines wohlgeordneten Geistes und ist bei den Söhnen Gottes ein Abbild der Güte Gottes, des Vaters. Eine solche Seele betet immer für alle (Kol 1,9) und dankt Gott bei allem (1 Thess 5,18). Der fromme Sinn ergießt sich beständig auf so viele Weisen im Gebet oder in der Danksagung vor Gott, wie viele Gründe er in seinen Nöten und Tröstungen, oder auch in Mitleid und Mitfreude mit dem Nächsten findet. Dieses Gebet ist ganz und beständig Danksagung. Denn wer so ist, ist immer in der Freude des Heiligen Geistes." [Wilhelm von Saint-Thierry, Brief an die Brüder vom Berge Gottes / Goldener Brief (Texte der Zisterzienser-Väter, Bd. 5), hrsg. v. d. Zisterzienserinnen-Abtei Eschenbach 1992, S. 74-76]

Armand-Jean Le Bouthillier de Rancé († 1700):

"Man betet auf vier verschiedene Arten zu Gott: durch den Psalmengesang, durch längere Gebet und Betrachtungen, durch kurzgefasste Ausdrücke und Stoßgebete und endlich durch den ganzen [Lebens-]Wandel und alle Handlungen des Lebens. Du magst dich aber zu Gott wenden, auf welche Art du immer willst, so wirst du ihn dir nicht gnädig machen, wenn du nicht vornehmlich mit zwei Zubereitungen vor seinen Augen erscheinst: nämlich mit einer tiefen Demut und gleichen Reinheit des Herzens, wie es die Aussätzigen im Evangelium und die kananäische Frau machen."

[Rancé, Armand Jean Le Bouthillier de , Augsburg, 1782, S. 270; Online-T. der Staatsbibl. München]

Charles de Foucauld († 1916): "Das beste Gebet ist jenes, das am meisten Liebe enthält."

2. ANBETUNG:

Maria Michaela (Miguela) vom heiligen Sakrament Desmaisières († 1865) sieht in einer Vision die Gnaden, die vom Tabernakel ausgehen:

"Einmal wachte ich vor dem Allerheiligsten und empfand großen Schmerz, weil ich den Herrn so allein sah und eingeschlossen in den Tabernakel, gleichsam wie einen Gefangenen der Liebe, die er zu uns hat, und ich klagte vor ihm darüber, dass er sich in so vielen Kirchen vervielfältigt hat. Ich weiß nicht, ob ich heute klar erklären kann, was mich der Herr sehen ließ …

Was mich der Herr sehen ließ, waren große besondere Gnaden, die von den Tabernakeln über die Erde ausgegossen sind und mehr noch über jeden einzelnen Menschen, gemäß der Disposition eines jeden; die Menschen haben mehr oder weniger Anteil an den ausgegossenen Gnaden, die vor allem denen zugute kommen, die sie suchen. Ich sah aus dem Tabernakel etwas wie einen hellleuchtenden Rauch hervorkommen, so wie der klare Schein des Mondes, der sich über die Häuser ausbreitete und jedes von ihnen hatte mehr oder weniger Anteil an demselben Licht.

Ich verstand auf wunderbare Weise, wie die ganze Erde an diesem auf sie ausstrahlende Licht Anteil hatte, so dass sie sich ihm näherte, um es ganz mit Glauben aufzunehmen. Und ich sah mit großem Wohlgefallen, wie sich dieses Licht von VoLukasevangelium zu VoLukasevangelium und Stadt verteilte, bis es zu seinen Kirchen und Tabernakeln kam, als Kraft für die Kranken, gleichsam als Wohltat und kostbares Gestein. Und wenn dies geschieht, wird jedermann jene Atmosphäre ersehnen, die der Herr so mit Wohlgeruch in der Luft entstehen lässt. Ja, ich sah ohne Zweifel einen Strom von Gnaden, den der Herr über jenen ausgießt, der sie mit vollem Glauben und mit Liebe aufnimmt, so wie sich kostbare Steine aller Farben und Heilkräfte ergießen gemäß den Notwendigkeiten und Bedürfnissen eines jeden. Und ich sah wie jemand sich entwickelt, der rein ist und eingehüllt in diesen hellleuchtenden Rauch der Gnade und wie dieser Eindruck in seinem Herzen nicht erlöscht. Auf diese Weise wird der Wunsch erneuert, für arme Kirchen zu arbeiten und so Anteil zu nehmen an ihnen mit mehr Schicklichkeit und Bedeutsamkeit, denn es ist der Kult des Herrn. Daher ordnete ich an, dass die Bedingungen in den Kapellen und Kirchen verbessert werden, dass [heilige] Gewänder angefertigt würden und anderen Notwendigkeiten abgeholfen wird, wie es der hl. Johannes von Gott machte, der mit Hilfe einiger befreundeter Frauen sein ganzes Gewand erneuerte, das jammervoll anzusehen war, da es voll war von Flicken." [Santa Maria Micaela del Santissimo Sacramento, Autobiografia. Biblioteca de Autores Cristianos 428, Madrid 1981, S. 382f.; eigene Übersetzung]

Pierre-Julien Eymard († 1868) empfiehlt mit Nachdruck die eucharistische Anbetung. Er schreibt, was es bei der Anbetung zu beachten gilt:

Geht daher zu unserem Herrn so, wie ihr seid: pflegt eine natürliche Betrachtung; schöpft zuerst eure eigenen Mittel der Frömmigkeit und Liebe aus, bevor ihr zu Büchern greift; liebt das unausschöpfbare Buch der bescheidenen Liebe!

Ihr könnt aber dann, wenn sich der Geist verirrt oder die Sinne ermüden, ein Andachtsbuch zur Hand nehmen, um euch wieder zu sammeln und auf den rechten Weg zu eurem guten Meister zurückzuführen; ihr sollt aber wissen, dass er die Armut unseres Herzens den erhabensten Gedanken und Erwägungen anderer vorzieht. Wisset wohl, dass Gott unser Herz und nicht jenes der anderen, sowie den Gedanken und das Gebet eures Herzens als natürlichen Ausdruck unserer Liebe zu ihm wünscht.

Nicht selten sind Eigenliebe, Ungeduld und Trägheit die Ursache, dass sich der Mensch weigert, mit seiner eigenen Gebrechlichkeit und gedemütigten Armseligkeit zu Gott zu gehen. Aber gerade diese zieht unser Herr allem anderen vor; diese liebt und segnet er.

Ihr befindet euch in einem Zustand geistiger Trockenheit? Preist dennoch die Gnade Gottes, ohne die ihr nichts tun könnt. Erhebt euer Herz zum Himmel, wie die Blume am Morgen ihren Kelch öffnet, um den wohltuenden Tau zu empfangen.

Ihr befindet euch vielleicht in einer vollständigen Ohnmacht, euer Geist ist umnachtet, eure Seelenstimmung ist niedergeschlagen und euer Körper leidend? Dann macht eine Anbetung der Armen, geht heraus aus eurer Bedürftigkeit, um bei unserem Herrn zu verweilen; oder opfert ihm eure Armut auf, damit er euch bereichere: Das ist ein Meisterwerk und seiner Ehre würdig.

Oder ihr befindet euch im Zustand der Versuchung: Alles widersetzt sich in euch, alles drängt euch, die Anbetung aufzugeben unter dem Vorwand, dass ihr in dieser Weise Gott beleidigt oder dass ihr ihn mehr entehrt als ihm dient. Hört nicht auf diese trügerische Versuchung: Das ist eine Anbetung des Kampfes und der Treue zu Jesus gegen euch selbst. Nein, nein: ihr missfallt ihm nicht! Ihr erfreut vielmehr euren Meister, der euch ansieht und dem Satan erlaubt hat, euch zu verwirren. Er erwartet von euch die huldigende Ausdauer bis zur letzten Minute der Zeit, die ihr ihm schenken sollt.

Erinnert euch zu eurem Trost und für euer inneres Verhalten, dass der Seelenzustand beim Gebet nicht von euch, sondern von Gott abhängt. Er verändert ihn, um in den Akten der Liebe Abwechslung hineinzubringen und euch teilnehmen zu lassen an einer der Befindlichkeiten seines sterblichen Lebens, damit ihr ihn anbetet und ihm dient, wie er seinen himmlischen Vater angebetet und ihm gedient hat. …

Beginnt alle eure Anbetungen mit einem Akt der Liebe und so öffnet ihr behutsam eure Seele für sein göttliches Werk. Wenn ihr mit euch selber anfangt, bleibt ihr am Weg stehen. Wenn ihr aber mit einer anderen Tugend als jener der Liebe beginnt, so steht ihr erst in der Vorbereitung: umarmt nicht zuerst das Kind seine Mutter, bevor es ihr gehorcht? Die Liebe ist die einzige Tür zum Herzen.

Wer zur Anbetung berufen ist:

Gegenstand der eucharistischen Anbetung ist die göttliche Person unseres Herrn Jesus Christus, der im Altarsakrament gegenwärtig ist. Dort lebt er und will, dass wir mit ihm sprechen, und er wird zu uns sprechen. Jeder kann mit unserem Herrn sprechen. Ist er nicht da für alle? Ruft er uns nicht zu: ‚Kommt alle zu mir (Mt 11,28)? Diese Zwiesprache, welche sich zwischen dem Menschen und unserem Herrn abwickelt, das ist die wahre Betrachtung und Anbetung. Jeder hat dafür seine Gnade.

[P.-J. Eymard, Die Heilige Eucharistie, 1. Bd., Die reale Gegenwart, La Sainte Eucharistie - La Présence Réelle, Paris-Montreal-Brüssel 1950, übersetzt von P. W. Marzari, Bozen 1990; zitiert nach: http://www.eucharistie.cz/deutsch/Eucharist/eeuch 1_1.html (12.05.2010)]

Blandina Mertens († 1918):

"Anbetung ist die aufs höchste gesteigerte Liebe, die sich selbst vernichtet, um dem Geliebten zu huldigen; es ist der liebste Akt der Liebe. Ihr natürlicher Akt und darum dringendes Bedürfnis ist die Hingabe, in ihrem Gefolge die Opferfreudigkeit. Hingabe ohne Vorbehalt, ohne Rückhalt, ohne Einsprache, Hingabe bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Blutstropfen." [Dienerin Gottes Schwester Blandina Merten OSU /Ursuline von Calvarienberg, Aus ihren Schriften, Ahrweiler 4 1985, S. 30f.]

Ivan Merz († 1928):

"Vergessen wir nicht Christi unermessliche Liebe und richten wir mehr Aufmerksamkeit auf die kleine weiße Hostie, die einsam in kleinen kalten Kirchen auf uns wartet!"

[Some of Ivan Merz´s thoughts, in: http://en.wikipedia.org/wiki/Ivan_Merz, (16.07.201); eigene Übersetzung]


3. BITTGEBET

Darstellung und Widerlegung der Einwände gegen das Bittgebet (Gott weiß es ja!): Origenes (BKV I 22-31)

Zenon von ägypten († 450/51): "Wer will, dass Gott schnell auf sein Gebet hört, der bete, wenn er aufsteht und die Hände zu Gott erhebt, für alle, auch für seine eigene Seele, aus ganzem Herzen auch für seine Feinde. Und wegen solch trefflicher Tat wird Gott ihn erhören, um was immer er auch bittet."

Isaak der Syrer († um 700):

"Wenn sich Gott damit Zeit lässt, dir deine Bitte zu gewähren, wenn du also bittest und das Erbetene nicht sogleich erhältst, dann sei nicht beunruhigt. Denn du bist nicht weiser als Gott."

"Such dir einen Arzt, noch bevor du krank wirst. Bete, noch bevor dich die Drangsal trifft. Und zur Zeit der Drangsal wirst du ihn [Gott] finden und er wird dir antworten."

Albert der Große († 1280):

‚Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet (Mt 7,7) … Hier ist zu beachten, dass einer jeden der drei Aufforderungen je eigens eine Entsprechung hinzugegeben wird, dem Bitten wird die Gewährung der Gabe zugesagt …, dem Suchen das Finden, d. h., der Suchende kommt im Inneren weiter, indem er eine Erfahrung macht; denn das Suchen geschieht durch tugendhaftes Handeln, und dann kann es nicht anders sein, als dass er durch das Erfahren eines geistlichen Genusses es empfindet, wie geschmackvoll die Tugend ist; das sittlich-richtige Tun und das dadurch erreichte Gute geht ja von der lebenden und wahrnehmungsfähigen Seele aus. ‚Denn ihr habt erfahren, wie gütig der Herr ist (1 Petr 2,3). ‚Kostet und seht, wie gütig der Herr ist (Ps 34,9). So gelangt der Suchende innerlich zu den ‚Früchten des Geistes (Gal 5,22 f), in dessen Kraft er im Guten voranschreitet.

Dem Anklopfen wird als Entsprechung das öffnen verheißen, d. h. der Zugang zur beständigen inneren Ruhe; denn das vollendete Glück ist der ganz friedvolle Zustand in der Vereinigung mit dem vollkommenen Gut, in dem jeder Wunsch erfüllt ist. Die Tür zu jenem Zustand ist die Entdeckung der Gegenwart (Gottes), die nicht angewiesen ist auf die Nachbildungen (Gottes) im Menschen als dem Ebenbild Gottes und in den anderen irdischen Geschöpfen als den Spuren Gottes. Das Schreiten durch diese Tür ist schließlich das Innewerden des höchsten Gutseins Gottes. [Albertus Magnus / Ausgewählte Texte, hrsg. u. übersetzt von A. Fries, Texte zur Forschung, Bd. 35, Darmstadt 1981, S. 253]

Walter Hilton († 1396):

"Der Zweck des Betens ist nicht, den Herrn zu informieren, was du wünschst, denn er kennt alle deine Bedürfnisse. Der Zweck ist, dich fähig und bereit zu machen, die Gnade zu empfangen, die unser Herr dir frei geben will. Diese Gnade kann nicht erfahren werden, bis du nicht gebessert und gereinigt bist im Feuer des Begehrens in demütigem Gebet. Denn obwohl das Gebet nicht der Grund dafür ist, weshalb der Herr Gnade gibt, es ist nichtsdestoweniger das Mittel,, durch welches die Gnade, frei gegeben, in die Seele gelangt."

[Walter Hilton, The Ladder of Perfection, transl. by Leo Sherley-Price 1988, B. 1, c. 24; eigene Übersetzung]


Karl Borromäus († 1584):

Es gibt nichts Gutes, nichts Großes, was das Gebet nicht fertigbrächte.

Das wirksamste Bittgebet geschieht nach Laurentius von Brindisi († 1619) im Namen Christi:

"Es ist dies jedenfalls eine große und universale, aber doch eine bedingte Zusage. Denn er [Christus] sagt nicht einfach und absolut: >Alles, was ihr erbittet, werdet ihr erhalten<, sondern: >Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er euch es geben< (Joh 15,16). … >In meinem Namen<: das bedeutet: durch meine Verdienste. … Im Namen Christi bitten heißt mit der Kraft lebendigen Glaubens bitten, mit dem Glauben, wie ich sagte, an die Verdienste Christi bei Gott.

… Christi Name ist wie ein Schlüssel zum öffnen eines Riegels. Es gibt nämlich keine künstlich verfertigten Riegel, die ohne Schlüssel nur durch die Nennung des Namens geöffnet werden können.

In Christi Namen aber bittet der, der Christus wahrhaft ehrt. Deshalb sagt er: >… Wenn ihr meine Gebote haltet und meine Worte in euch bleiben, dann bittet, um was ihr wollt, und es wird euch zuteil< (vgl. Joh 15,7).

Der Herr lehrte aber [auch], dass Glauben beim Gebet nötig sei und ebenso Demut, weswegen der Zöllner vom Tempel hinabstieg in sein Haus, mehr gerechtfertigt als der Pharisäer (Lukasevangelium 18,9-14), und außerdem Beharrlichkeit. Diese lehrte er im Gleichnis des Mannes, der von seinem Freund drei Brote erbat (Lukasevangelium 11,5-8), und im Gleichnis von der Witwe und dem ungerechten Richter (Lukasevangelium 18,1-8).

Zu erbitten ist wohl besonders Geistliches, denn er sagte: >Wenn ihr, obwohl ihr böse seid, euren Kindern nur gute Gaben gebt, um wie viel mehr wird der himmlische Vater vom Himmel her den guten Geist denen geben, die ihn darum bitten< (Lukasevangelium 11,9-13). Das aber ist der Grund dafür, dass er sagte: >damit eure Freude vollkommen sei< (Joh 15,11); denn Zeitliches bringt nicht die volle Freude, sondern Geistliches und Göttliches. >Wenn ihr den Vater in meinem Namen bittet<: Das ist so, wie wenn jemand einem Fürsten eine Bittschrift überreicht und dabei vom Fürsten etwas im Namen seines Vaters erbittet, der sich um den Fürsten sehr verdient gemacht hat" [S. Laurentii a Brundisio, Opera omnia, v. 10, p. 2, Patavii 1956, S. 266 f.; eigene Übersetzung]

Johannes-Baptist Vianney († 1859): "Gott liebt es, belästigt zu werden."

"Ja, mit einem guten Gebet können wir Himmel und Erde befehlen. Alles wird uns gehorchen."

Johannes Bosco († 1888): Gott lässt sich an Großmut nicht übertreffen. (II, 524)

Es ist unmöglich, dass einer, der sich ganz Gott überlässt, nicht erhört wird. (X, 91)

4. FüRBITTE

Ein Bruder sprach zum Altvater Antonius von ägypten († 356 ?): Bete für mich!" Der Greis entgegnete ihm: Weder ich habe Erbarmen mit dir, noch Gott, wenn du dich nicht selbst anstrengst und Gott bittest."

Zenon von ägypten († 450/51) sprach: "Wer will, dass Gott schnell auf sein Gebet hört, der bete, wenn er aufsteht und die Hände zu Gott erhebt, für alle, auch für seine eigene Seele, aus ganzem Herzen auch für seine Feinde. Und wegen solch trefflicher Tat wird Gott ihn erhören, um was immer er auch bittet."

Eines Tages kam eine Nonne zur hl. Sarra († 4./5. Jhdt.) und sagte zu ihr: Bete für mich, meine Herrin". Die Selige antwortete ihr: "Weder ich noch Gott können uns deiner erbarmen, wenn du dich nicht selbst über dich erbarmst, indem du gute Werke und Tugendübungen tust, wie die heiligen Väter uns belehrten."

Auf die Frage Gertruds von Helfta († 1302), wie sie denn als Nonne die leiblichen Werke der Barmherzigkeit üben könne, antwortet der Herr:

Weil ich, das wahre Heil und Leben der Seele, ohne Unterlass in jedem Menschen nach seinem Heil hungere und dürste, so wird derjenige, der an jedem Tag sich bemüht, einige erbauliche Worte der Heiligen Schrift zu lesen, meinen Hunger durch die lieblichste Erquickung befriedigen. Fügt er dieser Lesung auch noch die Absicht hinzu, dass er die Gnade der Zerknirschung oder der Andacht zu erlangen begehrt, so stillt er auch meinen Durst durch den süßesten Becher. Wer ferner wenigstens eine Stunde täglich mit voller Aufmerksamkeit des Geistes sich mit mir zu beschäftigen sucht, der bereitet mir eine angenehme Herberge. Wer weiterhin täglich in irgendeiner Tugend sich eifrig übt, der hat mich würdig bekleidet. Wer einem Fehler oder einer Versuchung mannhaft widersteht, der hat mich als Kranken sorgfältig gepflegt. Wer aber für die Sünder und die Seelen im Fegfeuer andächtig betet, dessen Dienst nehme ich so auf, als wenn er mich im Gefängnisse besucht und meine Trostlosigkeit behoben hätte. Wenn jemand … täglich und besonders in der Fastenzeit in diesen Werken aus Liebe zu mir sich übt, dem werde ich so huldreich vergelten, wie es sich für meine Allmacht und Weisheit und Güte geziemt.

[Gertrud von Helfta, Gesandter der göttlichen Liebe, 4. Buch, 18. Kap., übersetzt von J. Weißbrot, Freiburg-Basel-Wien 2001, S. 306]

Margareta Ebner († 1351) verspürte in sich die starke Berufung, vor allem für die armen Seelen zu beten:
"Große Begierde hieß mich beten für die armen Seelen. Die gaben mir viel Trost in allen Dingen und offenbarten mir, was ich zu wissen [be]gehrte von mir und ihnen … Ich freute mich allzeit auf Allerseelentag, da kam mir ein besonderer Trost von ihnen. Sie sandten eine Seele da zu mir, die eine Schwester unseres Konventes war; sie dankte mir für alles, was ich ihnen zu gute tat. Da wollte ich von ihnen wissen, ob mein Gebet denn keiner Seele noch zum Guten verholfen habe. Da ward mir Antwort, dass ich vielen Seelen schon geholfen hätte. Sie stärkten mein Vertrauen auf Gottes Güte, dass ihm mein Leben wohl gefiele und sonderlich, dass ihm das allerliebste an mir wäre die große Demut. Viel sagten sie mir davon, was Gottes Gütigkeit gewirkt an ihnen, und sonderlich in ihren jüngsten Nöten. Auch suchten viel Seelen mich, die ich nicht kannte, und gaben mir ihr Leben zu erkennen und baten mich um ein Gedenken."
[Wolf Brixner, Die Mystiker / Leben und Werk. Weltbild Verlag, Augsburg 1987, S. 336f.]

Giovanna M. Bonomo († 1670)betont die Sinnhaftigkeit des Gebets für die Sterbenden:

"Der Herr ließ sie einmal alle Teile der Welt und alle Art von Völkern sehen, zu Meer und zu Land, Große und Mächtige, Arme und Reiche, Ordensleute und Weltleute, mit ganz verschiedenen Bedürfnissen und auch Gnaden und anderem. Er ließ sie auch in einem Augenblick sehen und den Blick darauf richten, wie in der ganzen Welt 14.000 [d.h. sehr viele] Personen im Sterben lagen und wie sie ihr sehr dankbar waren für das Gebet, das sie für sie verrichtete."

Leonardo da Ponte († 1751):

"Erbitte ständig die [Hilfe der] heiligsten Jungfrau für die Seelen im Fegfeuer. Die Madonna erhört dein Gebet, [in dem du sie bittest,] sie zum Thron Gottes zu tragen und die Seelen, für die du bittest, unverzüglich zu befreien."

Anna Katharina Emmerich († 1824) erfährt in Visionen auch, welche Kraft das fürbittende Gebet hat, da sich hier die "Gemeinschaft der Heiligen", der noch lebenden und der schon bei Gott weilenden vereint:
"Rings um die Mitte, in der ich stand, erschienen durchsichtig im unbegrenzten Raume Geisterscharen in Chören. Es waren nicht eigentlich Heilige, es schienen betende Seelen, welche von unten und oben nahmen und austauschten. Sie nahmen Gebet, sie beteten, sie hüteten und flehten Hilfe von höheren Chören herab, welche auf ihr Flehen aus höheren Regionen Hilfe sendend bald mehr, bald weniger ins Licht traten. Die Höheren waren die Heiligen. Die mich Umgebenden schienen Seelen, welche der Herr bestimmt, allerlei Gefahren der Erde zu sehen und Hilfe zu erflehen. Jedes Amt, jeder Stand auf Erden schien da seine betenden Seelen zu haben. Alles um mich her war im wohltätigen Wirken; ich betete auch, denn ich sah tausend Not, und Gott sendete auch Hilfe durch seine Heiligen, und die Wirkung war augenblicklich durch unerwartet eintretende Hindernisse des übels, scheinbare Zufälligkeiten, Sinnesänderung u. dgl. So sah ich z. B. todkranke, unbußfertige Menschen auf Gebet sich bekehren, das Sakrament empfangen. Ich sah Leute gefährlich stürzen, ins Wasser fallend auf Gebet gerettet werden, und immer, als wäre es schier unmöglich gewesen. Ich sah, vyas einzelnen Verderben bringen sollte, wie durch eine Hacke hinweggerissen durch Gebet, und bewunderte die Gerechtigkeit Gottes."

"Mein Führer ermahnte mich wieder zu beten und alle meine Bekannten zum Gebet für die Bekehrung der Sünder und besonders um Glauben und Festigkeit für die Priesterschaft zu bitten; denn es stehe eine sehr schwere Zeit bevor. Die Verwirrung werde immer größer werden."

"Mein Bräutigam zeigte mir, wie er von seiner Empfängnis an bis zu seinem Tode gelitten und immer gesühnt und genuggetan habe. Und ich sah dieses in lauter Bildern seines Lebens. Ich sah auch, wie durch Gebet und Aufopferung von Schmerzen für andere manche Seele, welche auf Erden gar nicht gearbeitet, noch in der Todesstunde zur Bekehrung gebracht und gerettet werden kann."
[Anna Katharina Emmerich, Geheimnisse des Alten und des Neuen Bundes. Aus den Tagebüchern des Clemens Brentano zusammengestellt von P. Karl Erhard Schmöger, Stein am Rhein, 13 1993, S. 254-56. 319]

Maria vom göttlichen Herzen Jesu Gräfin Droste zu Vischering († 1899):

"Ich habe schon oft erfahren, dass das beste Mittel, Herr über Schwierigkeiten zu werden, ist, wenn man dem lieben Gott gerade für diese Schwierigkeit, Leiden etc. dankt … Ich glaube, dadurch zeigt man dem lieben Gott, dass man sich ganz Seinem Willen unterwirft, wenn das Gefühl auch noch so sehr empört ist."

Anna Schäffer (1925):

"Der liebe Gott schätzt eine einzige Seele, die wir Ihm - durch unsere Leiden und Gebet, Mühsale und Opfer zuführen, - höher, -als alle andren Dienste, die wir Ihm erweisen." 227

- "Mir ist immer, dass wir vor dem heiligsten Sakramente am meisten erbitten können und in den hl. Augenblicken nach der hl. Kommunion! Wenn wir dem lieben Heiland vor dem heiligsten Sakramente und bei der hl. Kommunion recht innig eine verirrte Seele anempfehlen und für selbe viel beten und opfern, so glaub ich, dass eine solche Seele niemals verloren geht, wenn es auch manchmal scheint, dass seine Bekehrung unmöglich ist." 227

[Im Leiden habe ich Dich lieben gelernt!" Die Schriften Anna Schäffers, dokumentiert v. Emmeram H. Ritter, Verlag Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse für das Bistum Regensburg, Regensburg 1998]

Lucia de Jesus († 2005):
"Betet den Rosenkranz alle Tage, um Frieden zu erreichen für die Welt und das Ende des Krieges!" (13. Mai)

"Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, da viele Seelen in die Hölle kommen, da sie niemand haben, der für sie Opfer bringt und betet!" ( 13. August)

Betet weiter den Rosenkranz, um das Ende des Krieges zu erreichen!" (13. September). "Errichtet hier eine Kapelle zu Meiner Ehre; denn ich bin die Herrin des Rosenkranzes, und betet weiter alle Tage den Rosenkranz!" (13. Oktober)
[Text: Memorias da irmä Lucia, compilaçäo do Pe. Luis Kondor, Fatima - Portugal, vol.1, S. S. 165-71; eigene Übersetzung]

5. DANK und LOBGEBET

Christen: Dank- und Bittgebete: Apologeten (BKV 77)

Pflicht des Dankgebets: Gregor von Nyssa (BKV 93f.)

Gott bedarf nicht der Verherrlichung durch uns, er verlangt es unseretwegen: Johannes „Chrysostomus” (BKV V 145f.).

Ambrosius von Mailand († 397):
Hast du Zeit zu einer Bitte, so hab' auch Zeit zum Danken!

Barsanuphius der Große und ältere († um 540):

"Ein Bruder schreibt dem Großen Meister: Wie kann man zur echten Danksagung Gott gegenüber gelangen?

Barsanuph antwortet: Wenn die Armen um eine kleine Gabe bitten, damit sie von grausamer Not befreit werden und sie erhalten sie, dann danken sie und verkünden allen ihren Dank und preisen ihre Wohltäter. Wie vielfach sind wir verpflichtet Gott zu danken? Mit welchen Dankesworten müssen wir ihn preisen? Er ist unser Schöpfer und er gab uns Kraft bis jetzt, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Er schenkte uns das Urteil des Herzens, die Gesundheit des Leibes, das Augenlicht und die Fähigkeit, seine Luft einzuatmen als Lebensstrom. Was aber alles Natürliche überragt, er führte uns zur wahren Reue und Zerknirschung und nährt uns mit seinem Blut und seinem Fleisch zur Vergebung der Sünden und zur Stärkung unserer Herzen: ,Dass er gewinne das Brot und den Wein, der erfreuet sein Herz' (Ps. 103, 15).

Damit aber niemand auf den Gedanken komme, diese Worte bezögen sich nur auf das irdische Brot, sagt derselbe Heilige Geist: ,Nicht vom Brote allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt' (Mt 4, 4). Wenn die Menschen aber schon für die irdischen und vergänglichen Dinge danken, wie vielmehr müssen sie danken für alles, was er für sie gelitten hat? Wenn wir ihm wirklich danken wollen, dann müssen wir unseren Dank dadurch zeigen, dass wir für ihn zu sterben bereit sind. Was aber tun die Menschen, von denen er das fordern könnte? Sie beleidigen ihn durch ihre Sünden, die Menschen, für die er selber starb. Um der Menschen willen wurde er im Kerker gehalten, auch um deinetwillen. Musst du da nicht mit allen deinen Kräften ihm danken? Wenn wir auch mit Herz und Mund ihm danken, so gut wir können, so bleibt doch unser Dank so klein, wie jene zwei Scherflein der Witwe im Tempel; aber in seiner Menschenliebe nimmt er unseren Dank an. Das gilt für sündige Menschen. Die Gerechten zeigen ihren Dank vor allem durch ihre Selbstüberwindung und Selbstverleugnung; denn der Apostel verlangt ständigen Dank an Gott. Und ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen."

[Vom Reichtum des Schweigens. Ein Zeugnis der Ostkirche. Geistliche Antwortbriefe der Schweigemönche Barsanuph und seines Schülers Johannes (6.Jahrh.), ausgew. u. übersetzt von Matthias Dietz, Thomas-Verlag, Zürich usw. 1963; Nr. 403, S. 20f.]

„Meister” Eckart († 1327):

"Wäre das Wort 'Danke' das einzige Gebet, das du je sprichst, so würde es genügen."

Thomas von Kempen († 1471):

"Du sollst dankbar sein für das Geringste, und du wirst würdig sein, Größeres zu empfangen."

Johannes von Gott († 1550):

"Für alles sollt ihr Gott Dank sagen: für das Gute und für das Böse!"

6. INNERES, HERZENS- und RUHEGEBET

Mystisches G.: Makarios (BKV 71f. 128. 177f. 338f.)

Gregor von Nazianz († um 390): "In der Furcht Gottes hat die Unruhe ihr Ende. Der einzige Gewinn, den du vom irdischen Leben haben kannst, ist, dass du durch die Unruhe der sichtbaren, unsteten Dinge zu dem Ewigen, Unbeweglichen geführt wirst."

FrageJohanna Franziskas von Chantalbezüglich des Gebets der Ruhe und Antwort des hl. Franz von Sales († 1622)

Frage: Ob die Seele, die sich so ganz hingegeben hat, nicht, soweit das möglich ist, alles vergessen soll, um sich immer an Gott zu erinnern und um in wahrem, vollem Vertrauen in Ihm allein zu ruhen?

Antwort: ‚Ja, Sie sollen alles vergessen, was nicht von Gott und für Gott ist, und unter der Führung Gottes in vollem Frieden bleiben. …

Da Unser Herr schon seit langem Sie zu dieser Gebetsweise gezogen hat und Sie die so begehrenswerten Früchte kosten ließ, die daraus kommen, Sie auch die Schäden der entgegengesetzten Weise erfahren ließ, so bleiben Sie fest und führen Sie, mit soviel Ruhe, wie Sie nur können, Ihren Geist zu dieser Einheit und Einfachheit der Gegenwart Gottes und der Hingabe an Gott. …

Gott will, dass wir darin wie ein kleines Kind sein sollen. Man muss nur Acht haben, sich keine überflüssigen Sorgen zu machen, und in allem einzelnen, auch bei den geringen, gewohnten und unbeachteten Handlungen nach dem Willen Gottes fragen.

[Aus einem Brief an Franz von Sales, Annecy 1614, nach: Briefe der heiligen Johanna Franziska von Chantal an den heiligen Franz von Sales, übertr. v. E. Heine, München 1929, S. 108-11]

Claudius de la Colombière († 1682)empfiehlt in einem Brief die übung des Herzensgebets, das auch Gebet der Einfachheit oder Ruhe genannt wird:

"Gott sollte die einzige Unterhaltung unseres Herzens sein; zu ihm sollten wir gehen in Einfalt des Herzens und ohne viel Erwägungen … Sie werden Gott immer nahe finden, wenn Sie ihn aufrichtig suchen, und wenn Sie Ihn haben, ist alles übrige ohne Belang für Sie … Mühen Sie sich nicht ab, zu Gott zu sprechen, denn es bedarf keiner Worte noch Gedanken, wenn nur das Herz bei ihm ist … Das Gebet, die Sammlung fordert keine Anspannung; man muss diesen Fehler vermeiden; unser Herz soll sich mit Gott vereinigen. Macht Ihr Geist dieser Vereinigung Schwierigkeiten, dann lieben Sie und tun Sie im übrigen, was Sie für gut finden … Der, den Sie lieben, sieht Ihr Herz, und das ist genug." [Aszese und Mystik des sel. P. Claudius de la Colombière S.J. In: Zeitschrift für Aszese und Mystik 4 (1929), S. 263-73]

Jean Jacques Olier († 1654) antwortet auf die Frage: Wie soll ich innerlich beten?

"Wie uns das Gebet des Herrn lehrt, hast Du ein Zweifaches zu tun, das ich Dir bei anderer Gelegenheit ausführlicher erklären will. Das Erste: Gott anbeten, loben und verherrlichen; das Zweite: ihm unsere Not bittend vortragen … Der erste Teil heißt Anbetung, der zweite Vereinigung

Das Wort Anbetung wird in der Heiligen Schrift oft gleichbedeutend mit religio gebraucht; damit ist jene christliche Grundhaltung bezeichnet, die die Seele zur radikalen Demut, zur Bewunderung, zum Lob, zum Dank, zur Liebe, mit einem Wort: zu all dem bewegt, was wir Gott gegenüber in diesem ersten Teil des Gebetes zum Ausdruck bringen sollen …

[In der Vereinigung] schenkt man sich Gott, um Anteil zu erhalten an dem, was er selbst ist und wozu er uns bewegen möchte. Denn die Teilhabe und die Gemeinschaft, die Gott an seinen Gaben und Vollkommenheiten gewährt, heißt communio, Vereinigung - im Besonderen bei den griechischen Vätern, denn dadurch gibt uns Gott Anteil an seinen Reichtümern. Die Teilhabe am Leib Christi heißt sakramentale Kommunion, weil uns dieses Sakrament die Güter Jesu Christi schenkt und uns seine größten Gaben mitteilt. Die Teilhabe, die im innerlichen Gebet geschieht, heißt geistliche Kommunion wegen der Gaben, die Gott uns dabei gibt durch das verborgene Wirken seines Geistes. Die Seele, die solch geheimes Wirken in ihrem Herzen wahrnimmt, soll ruhig und still bleiben, um die ganze Fülle der Gaben und Mitteilungen Gottes empfangen zu können; sie soll nicht aus Eigenem tätig werden wollen oder solche Anstrengungen setzen, die das reine und heilige Wirken des göttlichen Geistes in ihr stören würden …

Man fügt einen dritten Teil an, den manche Entschlüsse nennen und den man passender mit Kooperation bezeichnen könnte. Damit ist die Frucht des Gebetes und seine Auswirkung auf den ganzen Tag angedeutet …

Im zweiten Teil des Gebetes ist ein vollkommenes Verlangen wach geworden, unseren Herrn in dem nachzuahmen, worin man ihn im ersten Teil angebetet hat; mehrmals hat man ihn um diese Gnade gebeten und sich lange in seiner Gegenwart aufgehalten wie ein armer Bettler, der unaufhörlich seine Not kundgibt und denen die Hand entgegenstreckt, von denen er Hilfe erhoffen kann. Der dritte Teil des Gebetes besteht nun darin, der empfangenen Gnade zu entsprechen und mit ihr treu mitzuwirken, indem man gute Vorsätze fasst, indem man auf jene Gelegenheiten im Laufe des Tages vorausschaut, bei denen diese Vorsätze ausgeführt werden sollen, und indem man sich voll der Kraft des Geistes unseres Herrn Jesus Christus hingibt, um ihm nicht nur am heutigen Tag, sondern auch in der Folge unseres Lebens voll zu entsprechen … Dem Heiligen Geist soll man aber ganz hingegeben bleiben, damit er in uns bei jeder Gegebenheit wirke, uns an seine Pläne und Vorhaben erinnere und uns die Liebe schenke und die Kraft, seine Absichten zu erfüllen. Deshalb soll man das (innerliche) Gebet abschließen durch einen Akt der Hingabe, indem man sich dem Heiligen Geist ganz überlässt, der unser Licht und unsere Liebe und unsere Kraft sein."

[Jean-Jacque Olier, in: Quellen des geistlichen Lebens, Bd. 3, hrsg. v. Gisbert Greshake u. Josef Weismayer. Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2008, S. 155-60]

Jeanne Marie Guyon du Chesnoy (geb. Bouvier de la Motte) († 1717) über das innere Gebet: "Alle, die innerlich beten wollen, können das ohne Mühe mit Hilfe der Gnade sowie der Gaben des Heiligen Geistes, die allen Christen gemeinsam sind. Das Innere Gebet ist der Schlüssel zur Vollkommenheit und zum höchsten Glück. Es ist eine wirksame Hilfe, uns von allen Fehlern zu reinigen und mit allen guten Eigenschaften auszustatten; denn der beste Weg, vollkommen zu werden, ist: in der Gegenwart Gottes zu gehen. Er sagt es uns selbst: ‚Geh deinen Weg vor meinem Angesicht, und sei vollkommen‛ (Gen 17,1). Das Innere Gebet allein vermag euch diese Gegenwart zu vermitteln, und zwar beständig. Es geht also darum, ein Beten zu erlernen, das zu jeder Zeit geschehen kann, das von äußeren Beschäftigungen nicht abbringt, das Prinzen, Könige, Prälaten, Priester, Beamte, Soldaten, Kinder, Handwerker, Arbeiter, Hausfrauen und Kranke ausüben können. Es ist kein Beten mit dem Kopf es ist ein Beten mit dem Herzen. Es ist kein bloß gedankliches Gebet, denn das Denken des Menschen ist so begrenzt, dass er, wenn er an das eine denkt, nicht an etwas anderes denken kann. Das Gebet des Herzens aber wird von all den Tätigkeiten des Verstandes nicht unterbrochen. Nichts kann das Gebet des Herzens unterbrechen, außer ungeordnete Neigungen. Sobald man einmal Gott und die Süße seiner Liebe gekostet hat, ist es unmöglich, an etwas anderem Gefallen zu finden als an ihm."

"Unser Inneres ist keine Festung, die man mit Kanonen und Gewalt einnimmt. Es ist ein Reich des Friedens, das sich mit Liebe in Besitz nehmen lässt. Wenn man in solcher Weise ganz behutsam auf diesem kleinen Weg weitergeht, wird man bald zum eingegossenen Inneren Gebet gelangen. Gott verlangt nichts allzu Schwieriges; im Gegenteil, ihm gefällt aufs höchste ein ganz einfaches, kindliches Vorgehen."

"Kommt, ihr armen Kinder, redet mit eurem himmlischen Vater in eurer natürlichen Sprache; wie grob und plump sie auch sein mag, für ihn ist sie es nicht. Ein Vater liebt mehr ein Gestammel voller Liebe und Ehrfurcht, das er von Herzen kommen sieht, als eine feierliche, ausgeklügelte Ansprache, die kalt, leblos und unfruchtbar ist. Schon ein Aufblick voller Liebe kann ihn erfreuen und entzücken. Darin liegt unendlich viel mehr als in allen klugen Reden und überlegungen." [Ulrike Voigt (Hg.), Du rührst die Saiten meiner Seele. Die großen Mystikerinnen vom Mittelalter bis heute. Präsenz Kunst Buch, Hünfelden 2010, S. 139-46]

7. PSALMENGEBET

Umstritten ist, ob die Ausführungen über das "Gut des Psalmengesang" von Nicetius († um 566) stammen:

"über das Gut der Psalmodie wollen wir das sagen, was uns Gott zu schenken geruht. Liebste, wir sind ebenso durch die Lehren der Prophetie wie durch die der Evangelien und Aposteln unterwiesen; ihre Worte und Taten wollen wir uns vor Augen halten, denn durch sie sind wir war wir sind. Und wir wollen also nach deren Zeugnis darlegen, wie Gott die geistlichen Gesänge überaus angenehm sind. Dabei wollen wir auf die Anfänge zurückgreifen: Als erster hat Mose, der Anführer der Stämme Israels, Chöre eingerichtet … Du wirst finden, dass später nicht nur viele Männer, sondern auch Frauen vom Heiligen Geist erfüllt Gottes Geheimnisse besungen haben, und zwar auch schon vor David, der von Kindheit an von Gott für diese Aufgabe besonders erwählt wurde und der das Verdienst hat, der erste der Sänger und eine Schatzkammer von Lieder zu sein …

Was wirst du nicht in den Psalmen finden, das beiträgt zum Nutzen und zur Erbauung, zum Trost der Menschheit, des menschlichen Standes, Geschlechts und Alters? In den Psalmen findet der Säugling, was ihn nährt, der Knabe, was Lob spendet, der Jugendliche, was seinen Weg korrigiert, der ältere, worum er beten kann. Es lernt die Frau Schamhaftigkeit, die Waisenknaben finden einen Vater, die Witwen einen Richter, die Armen einen Fürsorger, die Fremden einen Schützer und die Könige und Richter hören, was sie fürchten sollen. Der Psalm tröstet die Trauernden, mäßigt die Fröhlichen, besänftigt die Zornigen, erfrischt die Armen und mahnt die Reichen, sich selbst zu erkennen und tadelt sie, um sie vor dem Hochmut zu bewahren. So bietet der Psalm gänzlich allen, die ihn beten, eine geeignete Arznei; auch die Sünder verachtet er nicht, sondern verabreicht ihnen zu ihrem Heil durch tränenreiche Buße eine Medizin …

Angenehm lässt sich der Psalm anhören, wenn er gesungen wird und dringt in die Seele ein, wenn er erfreut; leicht werden die Psalmen im Gedächtnis behalten, wenn sie häufig gesungen werden, und was die Härte des Gesetzes aus dem menschlichen Geist nicht auszureißen vermochte, das schließen die Psalmen durch die Wonne des Gesanges aus: Denn was, die Propheten, was die Evangelien vorschreiben, das bergen diese Gesänge in sich, wenn man sie voll süßer Wonne meditiert.

Gott wird gezeigt, dass man ihn fürchte, die Götterbilder werden verlacht, die Gerechtigkeit wird eingeflößt, die Barmherzigkeit gelobt, der Unglaube abgewiesen, die Wahrheit gesucht, Lügen werden verurteilt, die List angeklagt, die Unschuld gerühmt, der Hochmut verworfen, die Demut erhoben, die Buße gepriesen, der Friede als erstrebenswert dargetan. Gegen die Feinde wird Schutz gefordert, Vergeltung versprochen, sicher die Hoffnung genährt und was noch hervorragender als dies alles ist: In den Psalmen werden die Sakramente Christi besungen."

"Lasst uns also alle wie aus einem Munde denselben Psalmenton und in gleicher Weise denselben Rhythmus der Stimme vortragen! Wer sich aber den übrigen nicht angleichen kann, für den ist es besser, zu schweigen oder mit leiser Stimme zu psallieren als mit lauter Stimme alle zu übertönen; denn so wird er auch die Pflicht des Dienstes erfüllen und der demütig psallierenden Bruderschaft kein ärgernis geben. Wenn also unser aller Stimme keinen Anstoß erregt und sich harmonisch in den Zimbelklang der Stimmen einfügt, wird sie sowohl uns erfreuen, als auch die Hörer erbauen und unserem Gott wird der ganze Lobgesang angenehm sein." [De psalmodiae bono, MPL 68, Sp. 571-76; eigene Übersetzung]

8. ROSENKRANZGEBET

Maria zu den Kindern Lucia; Francisco und Jacinta Marto († 1920) am 13. Juli 1917:

"Betet jeden Tag den Rosenkranz zu Ehren Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, um den Frieden für die Welt …, denn nur sie allein kann das erreichen!"

- "Wenn ihr den Rosenkranz betet, dann sagt nach jedem Geheimnis: O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden; bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen!"

- "Opfert euch auf für die Sünder und sagt oft, wenn ihr ein Opfer bringt: 'O Jesus, ich tue das aus Liebe zu Dir, für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne für all die Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens'!"

- am 19. August 1917: "Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet!"

[Fatima kathpedia: http://www.kathpedia.com/index.php/Fatima;

26. Juni 2000 … Kongregation für die Glaubenslehre. Die Botschaft von Fatima - https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents /rc_con_cfaith_doc_20000626_message-fatima_ge.html - abgerufen am 22.10.2019]

9. STOSSGEBETE

Augustinus von Hippo († 430):

Stoßgebete sind "gleichsam Pfeilgebete" der Brüder in ägypten. [BKV X 206f.]

Josef Maria Tomasi († 1713):

"Stoßgebete sind üblich; sie erheben den Geist zu Gott bei jeder Tätigkeit und Angelegenheit, auch bei zeitweiser Zerstreuung; denn es ist sehr leicht, das Herz kurz zu Gott zu erheben, um von ihm Hilfe zu erbitten, so wie es für den, der auf der Erde unterwegs ist, leicht ist, einen kurzen Blick auf die Sonne zu werfen; außerdem kann er dann manch besondere Zeit finden, um ein längeres Gebet zu verrichten; dabei ist meiner Meinung nach das beste Gebet das, das uns der Heilige eingibt, der weiß, was nötig ist und worum wir beten sollen, wie wir es in den Psalmen finden."

10. STUFEN DES GEBETS

Bernhard von Clairvaux († 1153) unterscheidet vier Stufen des Gebets:

Es gibt vier Stufen des Gebets, je nach der Gesinnung des Menschen. Zuerst betet der Anfänger, aus der Schlinge böser Gewohnheiten befreit zu werden. Dann wird er mutig und bittet um die Vergebung der Sünden. Nach der Vergebung gewinnt er neue Zuversicht und erbittet von Gott die Kraft zu einem guten Leben. Jetzt betet er auch für die anderen. Schließlich wird er so vertraut mit Gott, dass er bei jedem Gebetsanliegen eher Dank sagt als bittet.

Das erste Gebet wird in der Gesinnung der Scham dargebracht. Solange einer nämlich an seine schlechte Gewohnheit gebunden ist und oft in die früheren Sünden zurückfällt, schämt er sich und wagt es nicht, vor Gottes Augen zu treten. Er tritt lieber mit der Frau des Evangeliums von hinten heran und berührt den Saum des Gewandes Jesu (vgl. Mt 9,20).

Das zweite Gebet wird in der Gesinnung der Lauterkeit dargebracht. Gereinigt von der schlechten Gewohnheit ist im Geist des Betenden keine Unaufrichtigkeit mehr. Er legt ein Bekenntnis ab und entblößt die ganze Wunde vor dem Arzt, um geheilt zu werden.

Das dritte Gebet wird in der Gesinnung der Weite dargebracht. Im Lauf der Zeit weitet sich nämlich das Beten, und der Mensch betet für sich und die anderen.

Das vierte Gebet wird in der Gesinnung der Hingabe dargebracht. Nun vertraut der Mensch in seiner großen Liebe zu Gott, dass ihm das gehört, worum er früher gebetet hat. Darum beginnt er mit der Danksagung, wie auch Jesus, der Herr, sprach: ‚Vater, ich danke dir, dass du mich immer erhörst! (Joh 11,41 f.). [Bernhard von Clairvaux, über das Beten, Zisterziensische Spiritualität für den Alltag, H. 3, Regensburg 2003, S. 12-14]

Teresa von Avila († 1582) vergleicht das geistliche Leben der Seele auch mit einem Garten, der durch verschiedene Gebetsgrade bewässert werden kann:

Einer, der anfängt, muss sich bewusst machen, dass er beginnt, auf ganz unfruchtbarem Boden, der von ganz schlimmem Unkraut durchwuchert ist, einen Garten anzulegen, an dem sich der Herr erfreuen soll. Seine Majestät reißt das Unkraut heraus und muss dafür die guten Pflanzen einsetzen. Stellen wir uns nun vor, dass dies bereits geschehen ist, wenn sich ein Mensch zum inneren Beten entschließt und schon begonnen hat, es zu halten. Mit Gottes Hilfe haben wir als gute Gärtner nun dafür zu sorgen, dass diese Pflanzen wachsen, und uns darum zu kümmern, sie zu gießen, damit sie nicht eingehen, sondern so weit kommen, um Blüten hervorzubringen, die herrlich duften, um diesem unseren Herrn Erholung zu schenken, und er folglich oftmals komme, um sich an diesem Garten zu erfreuen und sich an den Tugenden zu ergötzen. …

Ich meine, dass man [diesen Garten] auf viererlei Weisen bewässern kann: Entweder, indem man Wasser aus einem Brunnen schöpft, was uns große Anstrengung kostet; oder mit Hilfe von Schöpfrad und Rohrleitungen, wo Wasser mit einer Drehkurbel heraufgeholt wird; ich habe es selbst manchmal heraufgeholt: das ist weniger anstrengend als jene andere Art und fördert mehr Wasser; oder aus einem Fluss oder Bach: damit wird viel besser bewässert, weil die Erde besser mit Wasser durchtränkt wird und man nicht so oft bewässern muss, und es ist für den Gärtner viel weniger anstrengend; oder indem es stark regnet; dann bewässert der Herr ohne jede Anstrengung unsererseits, und das ist unvergleichlich viel besser als alles, was gesagt wurde.

Diese vier Arten der Bewässerung, durch die der Garten erhalten wird - denn ohne das müsste er eingehen - nun zur Anwendung zu bringen, das ist es, worauf es mir ankommt, womit ich glaubte, etwas von den vier Gebetsstufen erläutern zu können, in die der Herr in seiner Güte meine Seele manchmal versetzt hat. …

Von denen, die beginnen, inneres Beten zu halten, können wir sagen, dass es die sind, die das Wasser aus dem Brunnen schöpfen, was, wie ich gesagt habe, für sie eine große Anstrengung ist, weil sie sich abplagen müssen, um die Sinne zu sammeln. Da diese es gewohnt sind herumzustreifen, ist das eine ziemliche Anstrengung. Sie müssen es sich allmählich zur Gewohnheit machen, auf das Sehen und Hören nichts mehr zu geben und das dann in den Stunden des inneren Betens auch zu praktizieren, sondern in Einsamkeit zu verweilen und, zurückgezogen, über ihr vergangenes Leben nachzudenken.

Bei der zweiten Art der Bewässerung beginnt die Seele sich zu sammeln und rührt dabei schon an etwas übernatürliches, das sie allerdings in keiner Weise selbst erreichen kann, so viele Anstrengungen sie auch vollbringt. Es stimmt zwar, dass es so aussieht, als habe sie sich eine Zeitlang mit dem Drehen des Schöpfrads und dem Arbeiten mit ihrem Erkenntnisvermögen abgeplagt, und als hätten sich die Rohrleitungen schon gefüllt, doch steht der Wasserspiegel hier schon höher, und so hat man hier viel weniger Arbeit als beim Wasserschöpfen aus dem Brunnen. Ich möchte sagen, dass das Wasser schon näher ist, weil sich die Gnade der Seele schon klarer zu erkennen gibt.

Das bedeutet eine Sammlung der Seelenvermögen in sich hinein, um von dieser Beglückung mit noch mehr Wohlbehagen zu genießen; doch gehen sie nicht verloren, noch schlafen sie ein. Nur das Empfindungsvermögen ist derart beschäftigt, dass es sich, ohne zu wissen wie, gefangen nehmen lässt, das heißt, es gibt nur seine Zustimmung, damit Gott es einkerkert, wie jemand, der sehr wohl weiß, dass er der Gefangene dessen ist, den er liebt. …

Kommen wir nun auf das dritte Wasser zu sprechen, mit dem dieser Garten bewässert wird, nämlich das fließende Wasser eines Flusses oder einer Quelle, mit dem man mit weniger Mühe bewässert, auch wenn es einige Mühe kostet, das Wasser zuzuleiten. Hier will der Herr dem Gärtner schon derart helfen, dass er fast schon selber der Gärtner ist und derjenige, der alles tut.

Es ist dies ein Schlaf der Seelenvermögen, die sich nicht ganz verlieren, aber auch nicht verstehen, wie sie am Werk sind. Das Wohlgefühl und die Zärtlichkeit und die Beseligung sind unvergleichlich viel größer als das Bisherige. Es ist nämlich so, dass das Wasser der Gnade dieser Seele schon bis zum Halse steht, so dass sie nicht mehr vorangehen kann, und auch nicht weiß wie, aber auch nicht zurück kann. Sie möchte sich der höchsten Herrlichkeit erfreuen. Sie ist wie jemand, der die Kerze bereits in der Hand hält, so dass ihm nur noch wenig fehlt, um den Tod zu sterben, nach dem er sich sehnt. In dieser Agonie genießt sie die tiefste Beseligung, die sich nur ausdrücken lässt. Nichts anderes scheint es mir zu sein, als ein fast gänzliches Sterben für alle weltlichen Dinge und ein Genießen Gottes. …

Der Herr möge mir die Worte beibringen, wie man etwas über das vierte Wasser sagen kann. Seine Gunst ist hier sehr nötig, noch mehr als beim vorigen, denn bei jenem spürt die Seele, dass sie noch nicht ganz gestorben ist, denn so dürfen wir uns ausdrücken, weil sie es für die Welt ist. Aber wie ich schon sagte, hat sie noch soviel Gespür, um zu erkennen, dass sie in ihr weilt, und ihre Einsamkeit zu spüren, und sie nützt äußere Mittel, um zu verstehen zu geben, was sie empfindet und sei es durch Zeichen.

Bei jedem Gebet und bei allen Gebetsweisen, von denen bislang die Rede war, tat der Gärtner immer noch irgendeine Arbeit, auch wenn bei diesen letzten die Arbeit mit soviel Herrlichkeit und Trost für die Seele verbunden ist, dass sie da nie herausgehen möchte, und so empfindet sie es nicht als Anstrengung, sondern als Herrlichkeit.

Hier nun nimmt man nichts wahr, sondern genießt nur, ohne zu erkennen, was man genießt. Man erkennt zwar, dass man ein Gut genießt, in das alle anderen Güter eingeschlossen sind, doch erfasst man dieses Gut nicht. Es sind alle Sinne mit diesem Genuss beschäftigt, so dass keiner mehr frei ist, um sich noch mit etwas anderem beschäftigen zu können, weder mit äußerem noch mit Innerem … Das Wie dieses Gebets, das man als Gotteinung bezeichnet, und was es ist, das wüsste ich nicht verständlich zu machen. Es wird in der mystischen Theologie erläutert, denn ich wüsste nicht einmal die richtigen Ausdrücke zu benennen.

[Teresa von Ávila, Das Buch meines Lebens, Gesammelte Werke, Bd. 1, Freiburg-Basel-Wien 42006, S. 185-263]

Antonius Claret († 1870) über sechs Talente des Gebets:

"Ein Talent: Das mündliche Gebet

Es ist angebracht, die Talente des Gebets zu kennen, die ein jeder von Gott empfangen hat, um mit ihnen [Gewinn bringend] Handel zu treiben.

Die Gebetsgabe, die einem Talent gleicht, ist das mündliche Gebet.

Dieses Talent hat bekanntlich jene Seele, die, während sie mündlich betet, betrachtet, und sobald sie nicht mehr mündlich betet, kann sie auch nicht mehr betrachten und sie zerstreut sich in anderes.

Praxis: Die Person, welche diese Gabe von Gott empfangen hat, wird damit zufrieden sein und wird, soweit sie kann, diese Gabe auf folgende Weise anwenden: Sie wird jeden Tag, für den Zeitraum einer Viertel- oder halben Stunde oder länger zu Hause, in der Kirche oder an einem anderen Ort, beim Knien, Stehen, Gehen oder Arbeiten, entsprechend ihren Möglichkeiten gläubig und demütig das Vaterunser beten und bei jedem Wort mehr oder weniger Zeit verbringen, je nachdem sie dabei verweilen kann.

So wie sich die Biene auf einer Blume niederlässt, um Wachs und Honig zu gewinnen, so wird auch die Seele bei jedem Wort verweilen, solange sie etwas entnehmen kann, was zur größeren Ehre Gottes und zum eigenen Wohl und zu dem des Nächsten beiträgt. …

Was über das Vaterunser gesagt wurde, gilt in gleicher Weise auch für das Ave Maria, das Salve, das Credo, die Gebote, Sakramente und die Letzten Dinge. …

Zwei Talente: Das geistige Gebet oder die Meditation [Betrachtung]

Die Gabe des Gebets, welche zwei Talenten gleicht, ist die Meditation. … Diese ist der zuverlässige und echte Weg, auf dem sich alle Menschen zum Himmel begeben sollen und nur in besonderen Fällen begeben sie sich auf andere Wege. … Die Meditation wird vollzogen mit den Fähigkeiten der Seele, mit dem Gedächtnis, dem Verstand und dem Willen, wobei zusammen mit der Vorstellungskraft die leiblichen Sinne sich auf den Gegenstand der Meditation richten, als ob wir das, was wir betrachten, sehen, hören, schmecken und tasten könnten.

Der Stoff der Meditationen sollen die Letzten Dinge sein und besonders das Leben, Leiden und der Tod Jesu Christi, unseres Erlösers. …

Drei Talente: Das Gebet der Tugendakte

Die Gabe des Gebets, die drei Talenten gleicht, ist das Gebet der Tugendakte. Das Ziel der Betrachtung sind die Tugendakte und derjenige, der diese kostbare Gabe erhält, befindet sich schon am Ziel der Betrachtung, wobei er gleichsam ohne Mittel dahin gelangte. Während der Zeit des Gebets verweilt er in den Tugenden, die Gott dort für ihn bereithält: Das sind Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Demut und der Ergebung in den Willen Gottes. In diesen Tugenden übe man sich … während des Tages.

Es ist wie bei den Soldaten, die sich im Gebrauch der Waffen üben, und wenn sie den Feind angreifen müssen, machen sie dies gut; und außerdem machen sie, gut geübt, Fortschritte. So verhält es sich auch mit dem Christen, der ja ein Soldat der kämpfenden Kirche ist.

Vier Talente: Die Kontemplation [Beschauung]

Die Gabe der Kontemplation gleicht vier Talenten und jene Seele besitzt diese Talente, die die Eigenschaften Gottes betrachten [schauen] kann: seine Güte, seine Schönheit, seine Weisheit, seine Allmacht, seine Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit.

Die Seelen, die von Gott diese kostbare Gabe haben, lieben ihn sehr, denn sie kennen ihn mehr als die anderen Seelen, die diese Gabe nicht haben, und Gott wird in dem Maß geliebt, in dem er bekannt ist.

Fünf Talente: Das gemischte Gebet der Gottheit und Menschheit Jesu Christi, der Existenz Gottes in seinen vernünftigen und unvernünftigen Geschöpfen und in allen Dingen, welche existieren

Die Gabe des gemischten Gebets gleicht den fünf Talenten. Dieses gemischte Gebet besteht in der Betrachtung und Erwägung dessen, was Jesus Christus getan und erlitten hat, er, der wahre Gott und wahre Mensch, sowie im Betrachten seiner Gottheit in seiner Menschheit.

Auch das ist ein gemischtes Gebet, das darin besteht, Gott in allen Dingen zu schauen: in seiner Wesenheit, seiner Gegenwart und Macht, wobei man erkennt, dass alle Schönheit, Anmut, Heiligkeit und Vollkommenheit, die wir darin sehen, Teilhabe an Gott ist.

Wer diese Gabe hat, sieht die anderen mit höchstem Respekt und höchster Verehrung, er zieht alle anderen sich vor, denn er ist sich zutiefst seines Nichts und seiner Sünden bewusst.

Wer diese kostbar Gabe hat, weiß, dass es Gott ist, der in der Seele des Gerechten sie gerecht macht und sie belebt durch seine Gnade, wie der Erzengel zur heiligsten Maria sprach: ‚Ave, gratia plena, Dominus tecum …

Manchmal hat die Seele des Gerechten einen so großen Genuss, dass es ihr scheint, sie zerschmelze bald in Tränen zärtlicher Liebe, bald in Tränen des Schmerzes, weil sie gesündigt und Gott beleidigt hat. Sie erkennt, dass er ein so guter Vater ist, dem sie mit solchem Undank geantwortet hat, dass sie vor Schmerz stirbt. Dieser Schmerz veranlasst sie, die bittersten Bußen auf sich zu nehmen; und wenn sie sich so züchtigt, findet sie einigen Trost. …

Sechs Talente: Einigung

Die Gabe des Gebets der Einheit gleicht sechs Talenten; es ist dies die reichste Gabe; denn sie ist mit Gott selbst auf eine ganz besondere Weise verbunden, wie Jesus Christus sagt: ‚Wer mich liebt, wird meine Gebote halten, und mein Vater wird ihn lieben; und wir werden kommen und in ihm Wohnung nehmen (Joh 14,23). Und weil die Seele des Gerechten Gott liebt, ist sie in Gott, und beide sind in solcher Weise [mit einander verbunden], dass sie mit Paulus sprechen kann: ‚Ich lebe, aber nicht ich lebe, vielmehr Christus lebt in mir (Gal 2,20). Aus dieser heiligen Einigung entspringt jener Friede und jene innere Ruhe, welche die Seele erfährt, die betrachtet und liebt wie Maria und arbeitet wie Marta, doch ohne Geschäftigkeit und tadelnswerte Sorge. Die Seele in dieser Einigung befindet sich im Zustand solcher Zufriedenheit und solchen Glücks, dass es ihr scheint, dass niemals etwas sie von ihrem Geliebten trennen kann."
[San Antonio Maria Claret, Escritos espirituales, ed. par J. Bermejo, pres. de G. Alonso, Biblioteca de autores cristianos 471, Madrid 1985, S. 107-12; eigene Übersetzung

11. VATER UNSER

s. BKV: Tertullian, Origenes, Cyprian, Cyrill von Jerusalem, Gregor von Nyssa, Chrysostomus, Augustinus von Hippo, Petrus Chrysologue, Armenische Väter, Chromatius von Aquileia


Das Vater unser soll dreimal täglich gebetet werden: Apostolische Väter (BKV 11).

Inbegriff des ganzen Evangeliums: Tertullian (BKV I 249)

Wert des V.: Cyprian (BKV I 167f.)

Mittel zur Vergebung täglicher Sünden: Augustinus von Hippo (BKV III 423-35)

Von Chromatius von Aquileia († 407) stammt folgende kurze Erklärung des Vater unser:

"Vater unser, der du bist im Himmel: Dieses Wort der Freiheit ist voll Vertrauen. Ihr sollt also nach diesen Sitten leben, dass ihr Söhne Gottes und Brüder Christi sein könnt. Denn wer maßt sich an, Gott seinen Vater zu nennen, der von seinem Willen abweicht? Deshalb, Geliebteste, erweist euch der göttlichen Vaterschaft / Adoption würdig, da geschrieben steht: ‚Allen, die an ihn glauben, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden‛ [vgl. Joh 1,12].

Geheiligt werde dein Name: Das heißt nicht, dass Gott durch unsere Gebete geheiligt wird, sondern dass wir, die wir in seiner Taufe geheiligt werden, in dem Begonnenen verharren.

Dein Reich komme: Freilich, wann herrscht denn unser Gott nicht, dessen Reich doch unsterblich ist? Aber wenn wir beten: dein Reich komme, bitten wir, dass das Reich für uns komme, das uns von Gott verheißen und durch das Blut und Leiden erworben ist.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden: D. h. darin geschehe dein Wille, dass wir, die wir uns noch auf Erden befinden, das, was du im Himmel willst, tun.

Unser tägliches Brot gib uns heute: Darunter sollen wir die geistliche Speise verstehen. Denn Christus ist unser Brot, der gesagt hat: ‚Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist‛ [Joh 6,51].Wir nennen es täglich, weil wir so das Freisein von Sünden erbitten sollen, damit wir der himmlischen Speisen würdig sind.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern: Mit diesem Gebot deutet er an, dass wir nicht anders die Vergebung für unsere Sünden verdienen können, wenn wir nicht vorher denen, die sich gegen uns verfehlen, [ihre Schuld] nachlassen; denn so spricht der Herr im Evangelium: ‚Wenn ihr den Menschen nicht ihre Sünden vergebt, wird auch euer Vater eure Sünden nicht vergeben‛ [Mt 6,14].

Und führe uns nicht in Versuchung: D. h. lass uns nicht versucht werden von dem, der versucht, dem Urheber der Bosheit. Denn die Schrift sagt: ‚Gott versucht nicht zum Bösen.‛ [vgl. Jak 1,13].Aber der Teufel ist der Versucher. Um ihn zu besiegen sagt der Herr: ‚Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet‛ [Mk 14,33].

Sondern erlöse uns von dem Bösen: Das sagt er deshalb, weil der Apostel gesagt hat: ‚Ihr wisst nicht, um was ihr beten sollt‛[vgl. Römerbrief 8,26].Daher sollen wir zum allmächtigen Gott so beten, dass er gnädig geruhe, dass er uns das, was unsere menschliche Schwachheit überhaupt nicht meiden kann, schenke, Gott unser Herr Jesus Christus, der lebt und herrscht als Gott in der Einheit mit dem heiligen Geist in alle Ewigkeit. Amen."

[Chromatiii Aquileiensis sermones, cura J. Lemarié (Scriptores circa Ambrosium) Medioloani-Romae 1989, sermo 11,1; eigene Übersetzung]


Robert Bellarmin († 1621) unterstreicht die herausragende Bedeutung des Vater unser:

"Bezüglich der herausragenden Bedeutung hat das Vater Unser durch seine Autorität, Kürze, Vollkommenheit, Anordnung, Wirksamkeit und Notwendigkeit den Vorrang vor anderen Formen des Gebets.

An Autorität, da es ja von der Weisheit Gottes selbst verfasst worden ist. Darum kann uns nicht nur kein Mensch, sondern auch kein Engel besser in der rechten Art zu beten unterrichten, als es Christus getan hat.

Auch an Kürze ragt es hervor, da das Gebet angesichts der Erhabenheit und Vielfalt der enthaltenen Gegenstände nicht hatte kürzer sein können. Diese äußerste Kürze ist aber nützlich, und zwar sowohl als Stütze für das Gedächtnis, wie der hl. Cyprian bemerkt, als auch dazu, wie Tertullian mahnt, dass wir begreifen, es bedürfe nicht vieler Worte, wenn wir zu Gott beten - er weiß ja, was wir wollen, noch bevor wir bitten -, wohl aber einer großen Sehnsucht und eines heißen Verlangens.

Auch an Vollkommenheit ragt es hervor, da es alles umfasst, was von Gott zu erbitten entweder notwendig oder nützlich ist, so wie wir es kurz zuvor bei Augustinus von Hippo gelernt haben. Tertullian fügt aber noch hinzu, das Vater Unser sei gewissermaßen die Kurzfassung des Evangeliums, weil wir beim Sprechen dieses Gebetes gleichzeitig daran erinnert werden, was wir glauben, hoffen, lieben, wen wir verehren, was wir tun, meiden, erstreben und verachten sollen. Folglich findet das Wort des Cölestin hier seine vorzügliche Anwendung: ‚Das Gesetz des Betens legt das Gesetz des Glaubens (ergänze: sowie des Handelns) fest.

Der Anordnung nach besitzt es den Vorrang, da wir darin lernen, das Göttliche ausdrücklich mit einer Methode zu erbitten: zuerst das, was sich auf die Ehre Gottes, sodann das, was sich auf unser Heil bezieht, und dabei zunächst das Ewige und danach das Zeitliche.

An Wirksamkeit oder Nutzen hat es den Vorrang, da (wie der hl. Cyprian zu Recht bemerkt) nichts Gott Vater mehr bewegen kann als das Gebet seines Sohnes. Auch weiß niemand besser, welches Gebet bei Gott wirksamer ist und welche Güter uns vornehmlich fehlen, als der, den Gott zu unserem Anwalt und Fürsprecher eingesetzt hat. Wenn schließlich alles, worum man im Namen Christi bittet, leicht erlangt wird, wie Joh 16,24 sagt, wie viel leichter wird dann das erlangt werden, was nicht nur im Namen Christi, sondern auch mit den Worten Christi erfleht wird?

Es hat schließlich bezüglich der Notwendigkeit den Vorrang, da es keine andere Form des Gebetes außer dieser gibt, die alle Christen mit diesen feststehenden Worten zu gebrauchen und häufig zu benützen gehalten sind. In den Apostolischen Konstitutionen werden alle Christen ermahnt, dieses Gebet täglich dreimal zu sprechen. Ebenso weist uns das 4. Konzil von Toledo im can. 9 an, an keinem Tag dieses Gebet auszulassen, das die heiligen Väter Cyprian und Augustinus von Hippo nicht ohne Grund tägliches Gebet genannt haben.

[Robert Bellarmin, Katechismen, Glaubensbekenntnis, Vater Unser, übersetzt von A. Wollbold, Würzburg 2008, S. 273-75]

Erklärung der Vater-unser-Bitte: Dein Reich komme:

Schüler: ‚Was muss man unter Reich Gottes verstehen?

Lehrer: ‚In dreierlei Weise kann man das Reich Gottes verstehen. Denn es gibt ein Reich der Natur, ein Reich der Gnade und ein Reich der Herrlichkeit.

Das Reich der Natur ist das, wo Gott alle Geschöpfe als absoluter Herr aller Dinge lenkt und regiert. Obwohl nämlich die gottlosen Menschen sich bemühen, Unheil anzurichten und das Gesetz Gottes nicht beachten, herrscht Gott dennoch über sie, weil er ihre Pläne vereitelt, wenn es ihm gefällt. Wenn er es aber doch manchmal zulässt, dass sie das erlangen, was sie wollen, bestraft er sie danach streng, und es gibt niemanden, der seinem Willen widerstehen kann oder etwas tun kann, wenn er es nicht befiehlt oder zulässt.

Das Reich der Gnade ist das, wo Gott die Seelen und Herzen der guten Christen lenkt und regiert, indem er ihnen die Gesinnung und die Gnade gibt, ihm bereitwillig zu dienen und seine Ehre mehr als alles andere zu suchen.

Das Reich der Herrlichkeit wird im Jenseits nach dem Tag des Gerichts sein, weil Gott dann mit allen Heiligen über alles Geschaffene herrschen wird, ohne dass es irgendeinen Widerstand geben wird. Denn dann wird den Dämonen und allen gottlosen Menschen alle Macht genommen sein, und sie werden in den ewigen Kerkern der Hölle gefangen sein. In jener Zeit wird dann auch der Tod ausgelöscht sein sowie der Zustand der Verderbnis samt allen Versuchungen der Welt und des Fleisches, die die Diener Gottes jetzt plagen. Infolgedessen wird es ein friedliches Reich sein, in dem jeder die vollkommene, ewige Glückseligkeit als unverlierbaren Besitz hat.

Schüler: ‚Um welches dieser drei Reiche geht es in dieser Bitte?

Lehrer: ‚Es geht nicht um das erste, weil es nicht erst kommen muss, sondern schon gekommen ist, und auch nicht um das zweite, weil davon die erste Bitte handelt und es zum Teil bereits gekommen ist. Vielmehr spricht man vom dritten, das kommen soll und das all jene mit großem Verlangen erwarten, die das Elend dieses Lebens kennen. Darum betet man in dieser Bitte um unser höchstes Gut und die vollkommene Herrlichkeit für die Seele und den Leib.

Schüler: ‚Wenn das Reich Gottes, nach dem wir verlangen und von dem wir erbitten, dass es bald komme, erst nach dem Tag des Gerichts beginnt, dann verlangen wir also danach und erbitten, dass die Welt bald ein Ende nimmt und dass bald der Tag des Gerichts kommt?

Lehrer: ‚Ja, so ist es. Denn während es für die, die die Welt lieben, keine schlimmere Nachricht geben kann, als vom Tag des Gerichts zu hören, sehnen sich die Bürger des Himmels, die jetzt als Pilger und Verbannte hier unten auf der Erde leben, nach nichts mehr als gerade danach. Darum sagt der hl. Augustinus von Hippo, dass wie vor dem Kommen Christi in die Welt alles Verlangen der Heiligen des Alten Bundes sich auf das erste Kommen Christi richtete, sich so jetzt alles Verlangen der Heiligen des Neuen Bundes auf die Wiederkunft desselben Christus richtet, der uns die vollkommene Seligkeit bringen wird. [ebda. S. 94]


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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 10.08.2025

korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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