Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Vollkommenheit
Vollkommen (téleios) ist Gott allein. Wenn es in der Bergpredigt heißt: "Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!"(Mt 5,48), dann wird uns hier ein Ideal vor Augen gestellt, das wir anstreben sollen, aber doch nie erreichen können.
1. Wesen der V. 2. Weg zur V. 3. V. im Dies- und im Jenseits 4. unterschiedliche Stufen und Arten der V.
1. V. als Vereinigung mit Gott: Gregor von Nyssa (BKV 194f.)
Einssein mit Christus: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 180f.)
V. als Rat: Hieronymus (BKV I 157f.)
Mystische Gnaden bei den V.: Makarios (BKV 176-79)
Leidenschaftslosigkeit ist V.: Makarios (BKV 84. 254. 329f. 369f. 384f.).
Hieronymus († 420 ?): "Die einzige Vollkommenheit der Menschen besteht darin, dass sie sich ihrer Unvollkommenheit bewusst werden."
Geistliche Gedanken desDiadochus von Photice († vor 486) über die christliche Vollkommenheit:
"Ganz wenigen Menschen ist es gegeben, alle ihre Verfehlungen genau zu erkennen. Es ist dies bei jenen der Fall, deren Geist sich niemals vom Gedenken Gottes losreißen lässt.
Sind nämlich unsere leiblichen Augen gesund, vermögen sie alles zu sehen, sogar bis hin zu den Mücken oder Schnaken, die durch die Luft fliegen. Wenn sie aber von Schmutz oder Flüssigkeit bedeckt werden und ihnen etwas Großes begegnet, sehen sie es undeutlich. Die kleinen Dinge aber nehmen sie mit dem Gesichtssinn (dann sowieso) nicht wahr.
So verhält es sich auch mit der Seele. Wenn sie die Blindheit, welche ihr durch ihre Liebe zur Welt zuteil wird, durch die Aufmerksamkeit schwächt, dann hält sie auch ihre sehr kleinen Vergehen für überaus groß und vergießt unter großer Dankbarkeit unaufhörlich Tränen über Tränen. ‚Die Gerechten‛, heißt es ja, ‚werden deinen Namen preisen.‛ Wenn sie aber in der Verfassung der Welt verharrt und etwas Grausames oder etwas getan haben sollte, was schwere Strafe verdient, nimmt sie es nur schwach wahr. Von ihren anderen Vergehen aber kann sie sich an keines erinnern, sondern hält sie oft sogar für gute Taten. Darum schämt sich die elende Seele auch nicht, derentwegen leidenschaftlich große Worte zu machen."
[aus: Diadochos von Photike, Philokalie, der heiligen Väter Nüchternheit, Bd.1, Würzburg
2 2007, S. 387-451]
Pierre Fourier († 1640):
"Die Vollkommenheit besteht nicht in einer außerordentlichen Lebensweise, die den Menschen gewissermaßen über die menschliche Natur erhebt, sondern vielmehr darin, die alltäglichen, gemeinen und ganz gewöhnlichen Handlungen aus Liebe zu Gott, in der rechten Absicht, im heiligen Gehorsam, mit einem Wort möglichst gut zu verrichten."
Bartholomäus Holzhauser († 1658):
"Die wahre christliche Vollkommenheit besteht nicht in der Betrachtung erhabener und himmlischer Dinge, sondern in der demütigen und wahrhaftigen Erkenntnis der eigenen Armseligkeiten und natürlichen Leidenschaften … Die beste Erkenntnis und heilsamste Vollkommenheit besteht darin, Gott zu erkennen in seinen Gütern und zu lieben in seinen Gaben, sich selbst aber erkennen in seinen Schwächen und sich hassen in seinen Lastern und Leidenschaften."
Nach der überzeugung von Antonio Rosmini Serbati († 1855) sind alle Christen sind zur Vollkommenheit berufen:
"Alle Christen, d. h. alle Jünger Jesu Christi, in jedem Stand und jeder Stellung, sind zur Vollkommenheit berufen, da sie alle zum Evangelium, das das Gesetz der Vollkommenheit ist, berufen sind …
Die evangelische Vollkommenheit besteht in der ganzheitlichen Erfüllung der beiden Gebote der Gottes- und Nächstenliebe; sie ist der Grund dafür, dass der christliche Mensch danach verlangt und sich anstrengt, in all seinen Neigungen und allen Werken seines Lebens, soweit es auf dieser Welt möglich ist, ganz auf Gott hin zu leben …
Die vollkommene Liebe (in der für alle Christen die Vollendung besteht) trägt den ganzen Menschen seinem Schöpfer entgegen und kann als eine ungeteilte Hinwendung oder Opfergabe des Menschen an Gott bezeichnet werden, zu der er sich in der Nachfolge des eingeborenen Sohnes, unseres Erlösers Jesus Christus macht: In solcher Konsekration beschließt er, sich bei all seinem Tun kein anderes Endziel zu setzen als Gottes Verherrlichung, sich nichts anderem anzugeloben und kein anderes Gut noch Vergnügen auf Erden zu suchen, außer was zu Gottes Wohlgefallen und Dienst gereicht.
Daher muss sich ein wahrer Christ, der sich dieser Vollkommenheit, zu der er berufen ist, zuzuwenden verlangt, vornehmen, in allen Verrichtungen seines Lebens das zu verfolgen, was er als lieber seinem Gott und als entsprechender Seiner Ehre und Absicht erachtet.
Um jedoch zu erkennen, was seine Lebensführung mit dem göttlichen Willen in Einklang bringt, muss er sich die Gesinnung seines göttlichen Meisters und seine himmlischen Lehren stets vor Augen halten und sie unablässig in seinem Herzen erwägen."
[Antonio Rosmini, Leitsätze für Christen / eingeführt v. Hans Urs von Balthasar, Johannes Verlag Einsiedeln 1964, S. 19-23]
John Henry Newman († 1890):
"Leben heißt sich ändern und Vollkommenheit heißt: sich oft geändert haben."
Jean-Baptiste Berthier († 1908)erläutert, was Vollkommenheit bedeutet:
"Den Fußstapfen des hl. Thomas [von Aquin: 1215-1274] folgend sagt Suarez [Francisco: 1548-1617] : Nach Theologen besteht die Vollkommenheit christlichen Lebens in der Vollkommenheit der Liebe. Dies ist auch die Lehre der heiligen Väter. Der Grund dafür ist folgender: Das, was die Vollkommenheit einer Sache ausmacht, ist seine Einheit mit seinem letzten Ziel. Nun, unser letztes Ziel ist Gott, der im Glauben erkannt wird; darum besteht unsere Vollkommenheit in der Einheit mit Gott. Aber es ist die Liebe, die uns mit ihm verbindet. Durch sie verbinden wir uns eng mit Gott und werden ein Geist mit ihm, wie der hl. Paulus es ausdrückt und wie es der hl. Johannes in folgenden Worten ausdrückt: ‚Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.‛ [1 Joh 4,16] Der hl. Prosper [um 390 bis nach 455] sagt, dass die Liebe der stärkste von allen Affekten ist. Daher vereinigt sie uns stärker mit Gott als jeder andere Affekt; und in diesem Leben können wir durch nichts anderes als durch Liebe mit ihm verbunden werden, denn die Liebe führt zu Gott in sich selbst, sie unterwirft ihm den Menschen in einer wunderbaren Weise und macht ihn seinem immer anbetungswürdigen Willen gleichförmig. Deshalb liegt die ganze Vollkommenheit des christlichen Lebens in der Liebe. Jedoch, Liebe ist, was die Vollkommenheit betrifft, nicht so ausreichend, dass sie nicht auch anderes einschließen müsste: Andere Tugenden müssen sie begleiten und auf ihr beruhen.
In diesem Leben kann die vollkommene Liebe auf zwei Weisen bestehen. Erstens, insofern sie aus dem Herzen eines Menschen das verbannt, was der Liebe entgegengesetzt ist, wie z. B. die Todsünde. Ohne diese Vollkommenheit kommt Liebe nicht in Frage, darum ist sie für das Heil erforderlich. Zweitens, vollkommene Liebe kann in diesem Leben bestehen in dem Sinn, dass sie aus der Seele des Menschen nicht einfach nur das ausschließt, was der Liebe entgegengesetzt ist, sondern alles, was die Seele hindert, voll zu Gott voranzuschreiten.
Im ersten Licht besehen, wird diese Vollkommenheit der Liebe als wesentlich bezeichnet; sie setzt voraus, dass wir nichts über, gegen oder mehr als Gott lieben. Das erfordert in der Seele eine Bereitschaft, alle Gebote zu halten. Jesus Christus spricht von dieser Vollkommenheit, wenn er zu allen Menschen sagt: ‚Seid vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!‛ [Mt 5,48] Diese wesentliche Vollkommenheit betrifft das gemeinsame Für, obwohl alle, die in diesem Zustand sind, diesen Grad der Vollkommenheit noch nicht erreicht haben und konsequenterweise noch kein geistliches Leben führen, nichtsdestoweniger sind alle in der Verfassung, dass sie daran gebunden sind, diese Vollkommenheit anzustreben und zu erwerben, und sie sind mit umfangreichen Mitteln ausgestattet, sie zu erreichen.
Die Vollendung der Liebe vom zweiten Gesichtspunkt aus gesehen, d. h. insofern sie nicht nur die Todsünde ausschließt, sondern all das, was die Seele hindert, ganz Gott zu gehören, kann als nicht notwendig bezeichnet werden. Es ist ein besserer und vorteilhafterer Grad, und es ist von der Art, wen der Herr spricht: ‚Wenn du vollkommen sein willst, dann geh und verkauf alles, was du hast!‛ [Mt 19,21]"
[Jean-Baptiste Berthier, States of Christian Life and Vocation according to the Doctors and Theologians of the Church, St Athanasios von Alexandria Press 2018, S. 67f. 185; eigene Übersetzung]
Gemäß Ildefons Schuster († 1954)sind alle Gläubigen sind zur Vollkommenheit berufen: "Zur christlichen Vollkommenheit sind wir alle verpflichtet, denn zu uns allen hat der Herr gesagt: ‚Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.‛ [Mt 5,48] Die heilige Taufe und die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen - die Taufgelübde - sind nicht dem Belieben des einzelnen anheimgestellt, sondern alle, die in Christo getauft sind, müssen nach Heiligkeit streben.
Wenn nun das Streben nach Vollkommenheit uns nicht freisteht, sondern sich notwendig aus der Taufe ergibt, so sind wir doch frei hinsichtlich der Mittel, die sich uns darbieten, der sogenannten Räte der Vollkommenheit. Die heilige Taufe müssen alle Menschen empfangen; in den Ordensstand zu treten sind sie nicht verpflichtet. Ja, unsere Freiheit wird bestätigt durch die freiwillige Wahl des Ordensstandes, denn man wird Religiose [Ordensangehöriger] nur, wenn man es will. Darum sagte der Herr zum reichen Jüngling auf die Frage, was ihm noch zur Vollkommenheit fehle: ‚Willst du ?‛ [Mt 19,21]
Die Bischöfe und Priester wählt Gott selbst aus. Der Heiland spricht zu den Aposteln: ‚Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.‛ [Joh 15,16] Wie Jesus einst aus eigener Vollmacht die ersten zwölf Apostel berief, so wählt er auch jetzt noch aus dem christlichen VoLukasevangelium jene Männer aus, die er zu seinen Stellvertretern, zu Dienern seiner Liebe, seines Kultes und seines Gesetzes haben will …
Hinsichtlich des Ordensstandes aber verhält es sich anders. Nicht so sehr Gott beruft die Seele, sondern die Seele entschließt sich, angeregt durch die göttliche Gnade, zur Nachfolge Jesu. ‚Willst du?‛ Gott lädt die Seele ein, und in diesem Sinne kann man von einer Berufung zum Ordensstand sprechen, aber es ist unbedingt erforderlich, dass die Seele ‚will‛ und auf die göttliche Einladung antwortet: ‚Siehe, ich bin die Magd. des Herrn; mir geschehe nach deinem Worte.‛ [Lukasevangelium 1,38]"
[Ildefons Kardinal Schuster, Ewiges Reich / Grundwahrheiten des Christentums, übertr. v. P. Richard Bauersfeld O.S.B., Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck-Wien-München 1932, S. 143-45]
2. Feindesliebe und Barmherzigkeit machen v.: Ambrosius (BKV III 28f.).
V. heißt Unrecht mit Liebe erwidern: Ambrosius (BKV III 122-24).
Weg zur V: Augustinus von Hippo (BKV VII 352-55)
Das Mönchsleben ist Kampf um die V: Theodor von Cyrene (BKV I 90).
Die Gnade führt nach Bewährung zur V: Makarios (BKV 75-78 u. ö.).
Glühende Liebe zu Christus und Weltverachtung: Makarios (BKV 79-82)
Wachsende Christussehnsucht als Vorstufe der V.: Makarios (BKV 83f. 85-87)
V. durch volle Entfernung des Bösen: Makarios (BKV 171f.)
Die mit dem Hl. Geist Vereinten tun mühelos das Gute: Makarios (BKV 173f. u. ö.).
Hl. Schrift und Väter sind Richtschnur der V: Regula Benedicti (BKV 96f.).
In den Großen ist Sünde ausgelöscht: Makarios (BKV 150. 200. 308).
Die v. Christen sind dem Kreuz Christi geweiht: Makarios (BKV 163).
Wer zur V. gelangt ist, freut sich des Leidens: Makarios (BKV 385f.).
Hrabanus Maurus († 856):
Wer zum Gipfel
der Weisheit gelangt, muss notwendig zur Höhe der Liebe
gelangen, denn keiner ist vollkommen weise, außer der, der
vollkommen liebt. Wenn also jemand … zur Fülle der
Weisheit zu gelangen sucht, tut er nichts anderes, als zur
Vollkommenheit der Liebe zu gelangen, und so weit er in der
Erkenntnis Fortschritte macht, so sehr kommt er auch in der Liebe
voran." [S. Haarländer,
Rabanus Maurus / zum Kennenlernen / Ein Lesbuch, Mainz 2006]
Heinrich Seuse († 1366):
Frage des Jüngers:
So kamen vom Anbeginn des Jahrhunderts viele Bücher auf
uns über und vielfältig war die Wissenschaft. Die Welt ist
angefüllt mit einem Vielerlei an Lehren. Tausendfach sind die
Arten zu leben: die eine so, die andere so. Es gibt so viele Kodizes,
welche die Laster und Tugenden behandeln, es gibt so viele Büchlein,
welche feinsinnigste Fragen und verschiedene Themen behandeln, dass
das kurze Leben zu Ende geht, bevor es gelingt, alles zu studieren
oder auch nur durchzulesen.
Wer könnte alle logischen, naturwissenschaftlichen, historischen, moralischen und theologischen Schriften aufzählen? Alle Skripte, alle neuen und alten Kommentare, Einführungen, Kompilationen, einzelnen Traktate und Summen, mit welchen die ganze Erde wie von einem überbordenden Strom überschwemmt ist? Dies alles durchzulesen ist zu schwierig für einen müden und schwachen Schüler. Daher bitte ich dich, mir aus all dem eine äußerst kurze, in vier Aussprüchen ausgedrückte Formel der Vollkommenheit, wie sie dem ersten Einüben in den geistlichen Soldatendienst angemessen ist, zu vermitteln.
Antwort der
göttlichen Weisheit: [1.] Wenn du also wünschst,
zur ersehnten Vollkommenheit eines geistlichen Lebens zu gelangen,
wenn du dich tapfer bemühst, das in Angriff zu nehmen, musst du
dich von schädlicher Gesellschaft und Vertrautheit fernhalten
und von allen Menschen, welche dich von deinem Vorsatz abhalten -
kurz: von allen Sterblichen -, soweit es deinem Gelübde nach
möglich ist.
[2.] Bewahre immer demütigen und prompten Gehorsam gegenüber deinen Oberen.
[3.] Ergreife jede Gelegenheit, wo und wann du kannst, einen Ort der Ruhe aufzusuchen, nach der abgeschiedenen Stille der Kontemplation zu streben, den Ekel der gegenwärtigen Zeit zu meiden und die Verwirrungen dieser Welt zu fliehen.
[4.] Zu jeder Zeit sollst du vor allem nach Herzensreinheit streben, so dass du fortwährend wie mit verschlossenen Sinnen in dich selbst gekehrt bist und das Tor deines Herzens vor wahrnehmbaren Formen und irdischen Einbildungen sorgfältig verschlossen hältst, soweit es dir möglich ist. Denn unter allen geistlichen übungen nimmt die Herzensreinheit einen Vorrang für sich in Anspruch, als Endziel und Lohn all des Ungemachs, welches ein verdienter Soldat Christi in diesem Leben auf sich zu nehmen pflegt.
Du sollst dein Herz mit aller Sorgfalt von alldem, was seine Freiheit behindern könnte, lösen und von jeder Sache, welche die Möglichkeit an sich hat, dass man sich an sie bindet und an ihr festhält und seine Gefühle daran hängt …
Vor allem anderen soll immer dein hauptsächliches Bestreben darin bestehen, deine Seele fortwährend in Kontemplation des Göttlichen emporgerichtet zu haben, damit dein Geist immer den göttlichen Dingen und Gott anhängt und er, irdische Vergänglichkeit zurücklassend, fortwährend zu Höherem hinaufgetragen wird."
[Heinrich Seuse, Stundenbuch der Weisheit / Das "Horologium Sapientiae", übersetzt von Sandra Fenten, Würzburg: Königshausen & Neumann 2007, S. 169-71]
Katharina von Siena († 1380):
Der Herr selbst
sagte zu seiner Dienerin: ‚Damit die Frucht eurer Handlungen
reichlicher und köstlicher sei, bearbeite ich euch durch
zahllose Trübsale, Beschimpfungen, Beleidigungen, Schmach,
Verachtung und Vorwürfe, durch Worte und Handlungen, durch
Hunger und Durst, so wie es meiner Güte gefällt und nach
Maßgabe dessen, was jeder zu tragen fähig ist. Das Leiden
ist die Probe, nach der sich die Vollkommenheit oder Unvollkommenheit
der Seele beurteilen lässt.
[J.
Leclercq u. A. Kaufmann (übers.), Die Mystikerin des Apostolates
St. Katharina v. Siena, Vechta i. O. 1929, S. 220-23]
Vinzenz Ferrer († 1419):
Wer einen
Seelenführer hat, der ihn anleitet, dem er gehorcht im Großen
wie im Kleinen, der gelangt leichter und in kürzerer Zeit zur
Vollkommenheit als der, der es unternimmt, sich selbst zur
Vollkommenheit zu führen."
"Der Weg des Gehorsams ist der königliche Weg, der unaufhaltsam zum Gipfel führt, wo der Mensch seinen Gott findet; alle, die zur Vollkommenheit gelangten, sind auf diesem schmalen Pfade vorangeschritten." [Die Lehre vom geistlichen Leben / von San Vicente Ferrer, übertr. v. S. Brettle, Dokumente der Religion, Bd. 4, Paderborn 1923, S. 26f.]
Nach Johannes von Gott († 1550) sind je drei Dinge für unser geistliches Leben zu beherzigen:
Drei Dinge
schulden wir Gott: Liebe, Dienst und Ehrfurcht. Liebe, dass wir
Ihn als himmlischen Vater über alle Dinge der Welt lieben;
Dienst, dass wir Ihm als Herrn dienen, nicht im Hinblick auf die
Seligkeit, die Er denen geben wird, die Ihm dienen, sondern allein um
Seiner Güte willen; Ehrfurcht als dem Schöpfer, und wir
sollen Seinen heiligen Namen nur im Munde führen, um Ihm Dank zu
sagen und Seinen heiligen Namen zu preisen.
In drei Dingen sollt Ihr täglich die Zeit verwenden, gute Herzogin: im Gebet, in der Arbeit und im Unterhalt für den Leib. Im Gebet, indem Ihr Jesus Christus Dank sagt, wenn Ihr am Morgen aufsteht, für die Güter und Gnaden, die Er uns allezeit gibt, dadurch, dass Er uns nach Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat und uns die Gnade gab, Christen zu sein, und (indem Ihr) Jesus Christus um Barmherzigkeit bittet, dass Er uns verzeihe, und zu Gott für die ganze Welt betet. In der Arbeit, dass wir körperlich arbeiten, indem wir einer tugendhaften Beschäftigung nachgehen, damit wir verdienen, was wir essen, denn (auch)
Jesus Christus arbeitete bis zu Seinem Tod; bringt doch nichts mehr Sünden hervor als der Müßiggang. Im Unterhalt unseres Leibes, denn so wie der Maultiertreiber sein Tier pflegt und erhält, um sich seiner zu bedienen, so ziemt es sich, dass wir unserem Leib geben, was er braucht, damit wir durch ihn Kräfte haben, um Jesus Christus zu dienen.
Meine vielgeliebte und geschätzte Schwester, um Jesu Christi Liebe willen bitte ich Euch, drei Dinge im Gedächtnis zu behalten, und zwar: die Stunde des Todes, der niemand entrinnen kann, die Qualen der Hölle und die Herrlichkeit und Seligkeit des Paradieses. Zum Ersten: Daran denken, wie der Tod alles, was diese elende Welt uns gibt, verzehrt und beendet und er uns nichts mitnehmen lässt als ein Stück zerrissener und schlecht genähter Leinwand. Zum Zweiten: Bedenken, wie wir die so kurzen Freuden und Vergnügungen, die bald dahin sind, bezahlen werden müssen (wenn wir in Todsünde sterben) im Feuer der Hölle, das ewig währt. Zum Dritten: Die Herrlichkeit und Seligkeit betrachten, die Jesus Christus jenen bereitet, die Ihm dienen, und die kein Auge je gesehen, kein Ohr je vernommen, kein Herz je ersonnen hat.
Deshalb denn, meine Schwester in Jesus Christus, lassen wir uns nicht von unseren Feinden, der Welt, dem Teufel und dem Fleisch, besiegen. Vor allem, meine Schwester, habt die Liebe, denn sie ist die Mutter aller Tugenden. [Aus dem 3. Brief an die Herzogin von Sessa; nach: J. Cruset, Das heilige Abenteuer des Johannes von Gott, Graz-Wien-Köln 21982, S. 197f.]
Im Buch über die Gründungen zeigt Teresa von Avila († 1582) den schnellsten Weg zur Vollkommenheit auf:
Ich glaube, dass
der Böse uns unter dem Vorwand des Guten deshalb so viele
Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten vor Augen führt, weil er
sieht, dass es keinen schnelleren Weg zur höchsten
Vollkommenheit gibt als den des Gehorsams. … Denn es ist doch
klar, dass das, worin die höchste Vollkommenheit liegt, nicht in
inneren Wonnen oder großartigen Verzückungen oder Visionen
und auch nicht im Geist der Prophezeiung besteht, sondern in nichts
anderem als dass unser Wille dem Willen Gottes so sehr gleichförmig
wird, dass wir nichts erkennen, was er will, ohne es auch von ganzem
Herzen zu wollen, und das Köstliche genauso freudig annehmen wie
das Bittere, sofern wir nur erkennen, dass Seine Majestät es
will. Das erscheint äußerst schwierig; es zu tun ist es
nicht so, wohl aber das totale Sich-Anbequemen an das, was unserem
Willen natürlicherweise widerspricht; und es ist ja wahr, dass
das so ist. Doch hat die Liebe, wenn sie vollkommen ist, diese Kraft,
dass wir nämlich unser eigenes Glück vergessen, um den
glücklich zu machen, den wir lieben. Und so ist es wirklich;
denn mögen die Prüfungen noch so groß sein, wenn wir
erkennen, dass wir Gott damit beglücken, werden sie uns süß.
Auf diese Weise lieben diejenigen, die so weit gekommen sind,
Verfolgungen, Verleumdungen und Beleidigungen.
[Teresa
von Ávila, Das Buch der Gründungen, Kap. 5,10, Gesammelte
Werke, Bd. 5, Freiburg-Basel-Wien 2007, S. 137f.]
Caterina de' Ricci († 1590) nennt einer Mitschwester drei Regeln, um die Vollkommenheit zu erlangen, sie bezeichnet sie auch als "Kompendium des ganzen geistlichen Lebens":
"Wenn ihr, liebe Tochter, wahre Braut Christi sein wollt, ist es nötig, in allem seinen heiligsten Willen zu tun. Das werdet ihr dann sicher tun, wenn ihr völlig den eigenen Willen loslasst und den göttlichen Bräutigam mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all euren Kräften liebt und wenn ihr außerdem folgende drei Dinge, die ich euch jetzt sagen werde, beobachtet … Es sind in der Tat wie drei Dokumente, die die ganze christliche Vollkommenheit zusammenfassen:
Vor allem ist es nötig sich anzustrengen, das Gefühl und den Willen von aller irdischen Liebe abzuwenden und kein vergängliches Ding zu lieben, es sei denn aus Liebe zu Gott; auch dürfen wir Gott nicht aus Eigeninteresse lieben, sondern aus reiner Liebe zu ihm und seiner Güte.
Zweitens ist es nötig, auf die Liebe zu ihm alle Gedanken, Worte und Werke zu richten und mit dem Gebet, der Ermahnung und dem Beispiel allein seine Ehre zu suchen, und zwar so, dass auch die anderen unseretwegen Gott lieben und verherrlichen können. Nun wer sieht nicht, dass diese Art zu lieben Gott mehr gefällt als die erste? Diejenigen, die so lieben, erfüllen in vollkommener Weise seinen Willen.
Schließlich ist es nötig sich so sehr zu bemühen den Willen Gottes zu erfüllen, dass wir nicht nur nicht das wünschen, was an Gutem oder Schlechtem uns in diesem elenden Leben geschehen kann, sondern es ist nötig, sich so sehr dem göttlichen Plan zu überlassen, um nicht mehr den inneren Frieden unseres Herzens und nicht die Ruhe der Seele zu unterbrechen. Statt dessen sollen wir uns überzeugen mit festem Glauben, dass der allmächtige Gott uns mehr liebt als wir selbst uns lieben können, und dass er mehr Sorge um uns trägt als die, die wir selbst um uns haben können. Deshalb gilt: Je mehr wir es verstehen, uns auf Ihn zu verlassen, umso mehr werden wir ihn anwesend und bereit finden uns zu helfen und umso mehr werden wir in uns seine zärtlichste Liebe erfahren.
Aber zu einer solch hohen Vollkommenheit kann man nur gelangen durch eine beständige und entschiedenene Absage an den eigenen Willen. Und um sie zu erlangen, wenn wir sie begehren, bedarf es einer sehr tiefen und großen Demut."
[Domenico Di Agresti, Caterina de' Ricci. L'esperienza spirituale della Santa di Prato, Edizioni Libreria Cattolica. Prato 2001, S. 61f.; eigene Übersetzung]
Johannes vom Kreuz († 1591) zählt folgende "Stufen der Vollkommenheit"auf:
"Keine Sünde begehen, um nichts in der Welt, ja wissentlich nicht einmal eine lässiche, noch eine bewusste Unvollkommenheit.
Sich bemühen, immer in der Gegenwart Gottes zu wandeln, in der wirklichen oder in der vorgestellten oder in der einigenden, je nachdem, wie es sich mit den Werken verträgt..
Nichts tun und kein nennenswertes Wort sprechen, das Christus nicht spräche oder täte, wenn er sich in dem Stand befände, in dem ich mich befinde, und das Alter und die Gesundheit hatte, die ich habe.
Bemühen Sic sich in allen Dingen um die größere Ehre und Verherrlichung Gottes.
Wegen keiner Beschäftigung das innere Gebet unterlassen, denn es ist Nahrung far die Seele".
Die Gewissenserforschung wegen der Beschäftigungen nicht unterlassen und für jede Verfehlung irgendeine Buße tun.
Großen Schmerz um jede Zeit empfinden, die man vergeudet hat oder vorbeigehen lässt, ohne Gott zu lieben.
In allen Dingen, hohen und niedrigen, möge Gott ihr Ziel sein, denn sonst werden Sie an Vollkommenheit und Verdienst nicht zunehmen.
Geben Sic das Beten nie auf, und wenn Sie Trockenheit und Schwierigkeiten erfahren sollten, dann halten Sie beim Beten erst recht durch; denn vielfach möchte Gott sehen, was Sic in Ihrer Seele haben, und das bekundet sich nicht, wenn es leicht und nach Ihrem Geschmack geht.
10. Vom Himmel und von der Erde immer das Unterste und den geringsten Platz und das geringste Amt.
11. Mischen Sie sich nie in etwas ein, das Ihnen nicht aufgetragen wurde und versteifen Sie sich auf nichts, auch wenn Sic derjenige sind, der Recht hat. Und wenn man Ihnen bei dem, was man Ihnen aufträgt, einen Finger gibt, wie man so sagt, dann nehmen Sie nicht die Hand…
Fremde Angelegenheiten, seien sie gut oder schlecht, sollen Sie nicht beachten; denn abgesehen von der Gefahr, zu sündigen, die da besteht, ist dies An1a8 zu Zerstreuungen und zeugt von wenig Geist.
Bemühen Sie sich immer, mit klarer Erkenntnis Ihrer Erbärmlichkeit, mit Eindeutigkeit und Lauterkeit zu beichten.
Auch wenn Ihnen alles, was mit Ihrer Verpflichtung und Ihrem Amt verbunden ist, schwer fällt und zuwider ist, so verzagen Sie deswegen nicht, denn es muss nicht immer so sein; Gott, der den Menschen erprobt, indem er Mühsal bei seinem Gebot vorgibt (Ps 93,20), wird Ihnen darin bald das Gute und den Gewinn erweisen.
Immer mögen Sie daran denken, dass alles, was Ihnen zustößt, sei es Gutes oder Schlechtes, von Gott kommt, damit Sie beim einen nicht überheblich, beim anderen nicht mutlos werden.
Denken Sie immer daran, dass Sie zu nichts anderem gekommen sind, als um heilig zu werden; lassen Sic deshalb nicht zu, dass, in Ihrer Seele etwas herrscht, das nicht zur Heiligkeit führt.
Immer mögen Sic es
mehr lieben, andere zufrieden zu stellen als sich selbst, denn so
werden Sic dem Nächsten gegenüber weder neidisch noch
vereinnahmend sein. Das ist in Bezug darauf zu verstehen, wo es um
Vollkommenheit geht; denn Gott argert sich sehr über
Menschen,
die dem, was ihm gefälit, nicht den Vorrang einräumen vor
dem, was die Menschen für gut halten". [Johannes vom Kreuz, Worte von Licht und Liebe, Briefe und kleinere Schriften,
hrsg., übers., v. U. Dobhan, E. Hense, E. Peeters,
Freiburg-Basel-Wien 1996, S. 170-73]
Aloisius von Gonzaga († 1592): "Die ganze Vollkommenheit des Evangeliums wird durch eifrige übung des Gebets erworben, und der kann nie dahin gelangen, vollkommen zu sein, der nicht ein Mann des Gebetes ist."
Maria Magdalena von Pazzi († 1607): "Man soll nicht gehen, sondern laufen; man soll nicht laufen, sondern fliegen - zur Vollkommenheit."
Maria Ward († 1645) war sich bewusst, dass die volle innere Freiheit ein Geschenk der göttlichen Gnade und damit auch Frucht des Gebets ist:
"Du, Herr, kennst mein Herz! Mache dieses Herz vollkommen, so, wie du es haben willst.
Mein Herz ist bereit o Gott, mein Herz ist bereit!"
Emilie Schneider († 1859):
"Man muss taub, stumm und blind sein: taub, indem man nichts Unnötiges anhört; stumm, indem man nur das Notwendige und nur Erbauliches redet, aber nicht über die Fehler und Unvollkommenheiten anderer; blind, indem man nur sieht, was zum Heil und zur Vollkommenheit dienen kann und seine Augen von dem Tun und Lassen anderer abwendet."
dir beliebt. Dein bin ich, bereit zu allem." [Karl Richstätter SJ, Eine moderne deutsche Mystikerin / Leben und Briefe der Schwester Emilie Schneider, Freiburg i. B. 1924, S. 118f.]
Columba Marmions († 1923) Spiritualität ist christozentrisch, auch unser Leben sollte auf Christus ausgerichtet ein:
"Das Ziel aller Vervollkommnung und Entwicklung des übernatürlichen Lebens ist, ‚zum Vollalter Christi zu gelangen‛ [Eph 4,13] … Es ist nur ein Leib, von dem Christus das Haupt ist; wir alle sind durch die Gnade Glieder desselben; aber wir müssen vollkommene Glieder werden, die ihres Hauptes würdig sind. Das ist das Ziel unseres geistlichen Lebens.
Christus, als unser Haupt, ist aber auch die Quelle dieses geistlichen Fortschritts. Wir dürfen es nicht vergessen, dass Jesus Christus mit Annahme unserer menschlichen Natur all unsere inneren und äußeren Werke geheiligt hat; sein menschliches Leben war dem unseren gleich, und sein göttliches Herz ist der Mittelpunkt aller Tugenden, Jesus Christus hat alle Arten menschlichen Tuns selbst geübt. Wir dürfen durchaus nicht glauben, dass der Herr unbeweglich in Entzückung geweilt habe; nein, er schöpfte vielmehr aus der beglückenden Anschauung Gottes und seiner Vollkommenheit die Triebkraft seiner Tätigkeit; er wollte den Vater dadurch verherrlichen, dass er in seiner Person die vielfachen und obliegenden menschlichen Tätigkeiten heiligte. Wir beten: Er hat Nächte betend durchwacht. Wir arbeiten: Er hat sich gemüht in harter Arbeit bis zum 30. Lebensjahr. Wir essen: Er hat mit seinen Jüngern zu Tische gegessen. Wir müssen Widersprüche und Angriffe von Seiten der Menschen erfahren: Auch er hat sie gekannt, oder haben ihn die Pharisäer jemals in Ruhe gelassen? Wir müssen leiden: Er hat geweint, hat für uns und vor uns an Leib und Seele gelitten, wie kein anderer Mensch je zu leiden hatte. Wir erleben freudige Stunden: Seine heilige Seele hat in unaussprechlichem Jubel frohlockt. Mit einem Wort: Er hat getan, was wir tun.
Und wozu dies alles? Nicht bloß, um als unser Haupt uns ein Beispiel zu geben, sondern um durch diese Handlungen uns die Gnade zu verdienen, dass wir all unsere Handlungen heiligen können, um uns die Gnade zu erwerben, die unser Tun Gott wohlgefällig macht. Diese Gnade verbindet uns mit ihm, macht uns zu lebendigen Gliedern seines Leibes. Um zu wachsen in ihm und zur Vollkommenheit der Glieder Christi zu gelangen, müssen wir diese Gnade nicht nur in unsere Seele, sondern in unser ganzes Leben und Tun eindringen lassen.
Jesus Christus wohnt in uns mit all seinen Verdiensten, um all unser Handeln zu beleben. Wenn wir nun durch eine oftmalige, gerade und reine Meinung all unsere täglichen Handlungen mit den Handlungen vereinigen, die Jesus Christus auf Erden verrichtete, dann fließt Gottes Gnadenkraft in ununterbrochenem Strom auf uns herab. Wenn wir all unsere Handlungen in Liebe mit ihm verrichten, werden wir sicher und rasch vorwärts schreiten."
[Abt D. Columba Marmion OSB, Christus das Leben der Seele, übertr. v. M. Benedicta v. Spiegel OSB, 4.5 1931, S. 237f.]
Eustachius Kugler († 1946): "Das heiligste Herz Jesu soll mein Lehrer sein in der Vollkommenheit; ich will mich in allem fragen: Wie Jesus gehandelt hätte, so will auch ich handeln."
3. Christliche V. und Glückseligkeit: Apologeten (BKV I 170)
Unterschied zwischen diesseitiger und jenseitiger V: Ambrosius (BKV III 209)
V. ist hier nur relativ und mangelhaft: Hieronymus (BKV I 350-68. 482-91).
Höchste V. im Himmel durch Anschauung der Wahrheit: Augustinus von Hippo (BKV VII 352-55)
Im Vergleich zur jenseitigen V. keine irdische V.: Augustinus von Hippo (BKV VIII 46)
Jordan von Sachsen († 1237):
"Nichts wird in diesem Leben so sehr vollendet, dass es nicht vollkommener werden könnte, bis wir dorthin gelangen, wo nichts Unvollkommenes Platz hat, wo ein jeder von uns mit so großer Vollkommenheit erfüllt werden wird, dass er nichts Weiteres mehr braucht, weil dort kein Mangel sein wird und wo alle Möglichkeiten erfüllt sein werden: in Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit verherrlicht und lobenswert ist. Amen." [Jordan von Sachsen / Von den Anfängen des Predigerordens, hrsg. v. Wolfram Hoyer, Leipzig 2 2003, S. 134]
Gregor Sinaites († 1346): "Gleichen Alters sind im Geist all jene, die die Fülle der Vollkommenheit Christi erhalten haben."
Thomas Morus († 1535): "Nichts wird gut und vollkommen sein, bevor die Menschen gut und vollkommen sind."
4. Eulogios von Alexandria († 607/8)deutet die dreimalige Frage des Auferstandenen an Petrus (Joh 21,15-19) auf ungewöhnliche Weise. Der Herr tut es aus liebevoller Sorge für seine Herde, die er nun Petrus anvertraut:
"Er beschreibt bei seiner Frage gewisse unterschiedliche Abstufungen derer, die geweidet werden sollen: denn zuerst befiehlt er, die Lämmer zu weiden, dann die [armen] Schäflein, die zwar zunächst Schafe gewesen waren, dann aber durch einige Stürze Kraft und Vollkommenheit eingebüßt haben; dann erst führt er die vollkommenen Schafe an.
Mit den Lämmern werden die verglichen, die noch der Milch und der elementaren Lehre bedürfen; mit den armen Schäflein diejenigen, die durch einige Verfehlungen ihre Vollkommenheit eingebüßt haben; mit den Schafen diejenigen, die zur Vollkommenheit des Glaubens und Lebens aufgestiegen sind.
Sieh ferner, wie er das Unvollkommene dem Vollkommenen voranstellt: denn das vornehmliche Ziel des Herrn war das Heil der Sünder: ‚Denn‛, so sagt er, ‚ich bin nicht gekommen, um die Gerechten, sondern die Sünder zur Umkehr zu rufen‛ (vgl. Lukasevangelium 5,31f)."
[S. Eulogius Alexandrinus Archiepiscopus, Sermo in Ramos Palmarum et in pullum asini, MPG 103, Fragment, Sp. 2961-62; eigene Übersetzung]
Niels Stensen († 1686):
"Verlangt doch das Wort Gottes und die vom Glauben erleuchtete Vernunft ganz klar, dass man jede Seele zu jenem Stand der Vollkommenheit erhebe, die ihrem Beruf und ihren Talenten entspricht. Es ist dies der Stand, den die Barmherzigkeit der allerheiligsten Dreifaltigkeit ihr von Ewigkeit vorherbestimmt und die Menschheit des Erlösers ihr am Kreuze verdient hat. Diese Ursachen können nichts Alltägliches, nichts Mittelmäßiges hervorbringen."(Op. theol. II,16) [Hermann Wieh, Niels Stensen / Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Echter Verlag Würzburg 1988, S. 47]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 06.08.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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