Spiritualität der Heiligen - Eine Quellensammlung
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn
Vollkommenheit
Vollkommen (téleios)
ist Gott allein. Wenn es in der Bergpredigt heißt: Seid
vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!
(Matthäusevangelium
5, 48), dann wird uns hier ein Ideal vor Augen gestellt, das wir
anstreben sollen, aber doch nie erreichen können.
1. Wesen der Vollkommenheit
2. Weg zur Vollkommenheit
3. Vollkommenheit im Dies- und im Jenseits
4. unterschiedliche Stufen und Arten der Vollkommenheit
1. Wesen der Vollkommenheit
Vollkommenheit als Vereinigung mit Gott: Gregor von Nyssa (BKV 194f).
Einssein mit Christus: Johannes „Chrysostomus” (BKV VI 180f).
Vollkommenheit als Rat: Hieronymus (BKV I 157f)
Mystische Gnaden bei den Vollkommenheit: Makarius der Ägypter (BKV 176 - 179).
Leidenschaftslosigkeit ist Vollkommenheit: Makarius der Ägypter (BKV 84, 254, 329f, 369f, 384f).
Hieronymus (†
420 ?):
Die einzige Vollkommenheit der Menschen
besteht darin, dass sie sich ihrer Unvollkommenheit bewusst werden.
Geistliche Gedanken
des Diadochus von Photike († vor 486) über
die christliche Vollkommenheit:
Ganz wenigen
Menschen ist es gegeben, alle ihre Verfehlungen genau zu erkennen. Es
ist dies bei jenen der Fall, deren Geist sich niemals vom Gedenken
Gottes losreißen lässt.
Sind nämlich
unsere leiblichen Augen gesund, vermögen sie alles zu sehen,
sogar bis hin zu den Mücken oder Schnaken, die durch die Luft
fliegen. Wenn sie aber von Schmutz oder Flüssigkeit bedeckt
werden und ihnen etwas Großes begegnet, sehen sie es
undeutlich. Die kleinen Dinge aber nehmen sie mit dem Gesichtssinn
(dann sowieso) nicht wahr.
So verhält es sich
auch mit der Seele. Wenn sie die Blindheit, welche ihr durch ihre
Liebe zur Welt zuteil wird, durch die Aufmerksamkeit schwächt,
dann hält sie auch ihre sehr kleinen Vergehen für überaus
groß und vergießt unter großer Dankbarkeit
unaufhörlich Tränen über Tränen. Die
Gerechten
, heißt es ja, werden deinen Namen
preisen.
Wenn sie aber in der Verfassung der Welt verharrt und
etwas Grausames oder etwas getan haben sollte, was schwere Strafe
verdient, nimmt sie es nur schwach wahr. Von ihren anderen Vergehen
aber kann sie sich an keines erinnern, sondern hält sie oft
sogar für gute Taten. Darum schämt sich die elende Seele
auch nicht, derentwegen leidenschaftlich große Worte zu
machen.
[Diadochos von
Photike. In: Philokalie, der heiligen Väter Nüchternheit, Bd.1.
Verlag Der Christliche Osten. Würzburg 22007, S.
387 - 451]
Petrus Fourier (†
1640):
Die
Vollkommenheit besteht nicht in einer außerordentlichen
Lebensweise, die den Menschen gewissermaßen über die
menschliche Natur erhebt, sondern vielmehr darin, die alltäglichen,
gemeinen und ganz gewöhnlichen Handlungen aus Liebe zu Gott, in
der rechten Absicht, im heiligen Gehorsam, mit einem Wort möglichst
gut zu verrichten.
Bartholomäus Holzhauser († 1658):
Die wahre
christliche Vollkommenheit besteht nicht in der Betrachtung erhabener
und himmlischer Dinge, sondern in der demütigen und wahrhaftigen
Erkenntnis der eigenen Armseligkeiten und natürlichen
Leidenschaften. … Die beste Erkenntnis und heilsamste
Vollkommenheit besteht darin, Gott zu erkennen in seinen Gütern
und zu lieben in seinen Gaben, sich selbst aber erkennen in seinen
Schwächen und sich hassen in seinen Lastern und Leidenschaften.
Nach der Überzeugung
von Antonius Rosmini-Serbati († 1855) sind
alle Christen sind zur Vollkommenheit berufen:
Alle Christen, d.
h. alle Jünger Jesu Christi, in jedem Stand und jeder Stellung,
sind zur Vollkommenheit berufen, da sie alle zum Evangelium, das das
Gesetz der Vollkommenheit ist, berufen sind. …
Die evangelische
Vollkommenheit besteht in der ganzheitlichen Erfüllung der
beiden Gebote der Gottes- und Nächstenliebe; sie ist der Grund
dafür, dass der christliche Mensch danach verlangt und sich
anstrengt, in all seinen Neigungen und allen Werken seines Lebens,
soweit es auf dieser Welt möglich ist, ganz auf Gott hin zu
leben. …
Die vollkommene Liebe
(in der für alle Christen die Vollendung besteht) trägt den
ganzen Menschen seinem Schöpfer entgegen und kann als eine
ungeteilte Hinwendung oder Opfergabe des Menschen an Gott bezeichnet
werden, zu der er sich in der Nachfolge des eingeborenen Sohnes,
unseres Erlösers Jesus Christus macht: In solcher Konsekration
beschließt er, sich bei all seinem Tun kein anderes Endziel zu
setzen als Gottes Verherrlichung, sich nichts anderem anzugeloben und
kein anderes Gut noch Vergnügen auf Erden zu suchen, außer
was zu Gottes Wohlgefallen und Dienst gereicht.
Daher muss sich ein
wahrer Christ, der sich dieser Vollkommenheit, zu der er berufen ist,
zuzuwenden verlangt, vornehmen, in allen Verrichtungen seines Lebens
das zu verfolgen, was er als lieber seinem Gott und als
entsprechender Seiner Ehre und Absicht erachtet.
Um jedoch zu erkennen,
was seine Lebensführung mit dem göttlichen Willen in
Einklang bringt, muss er sich die Gesinnung seines göttlichen
Meisters und seine himmlischen Lehren stets vor Augen halten und sie
unablässig in seinem Herzen erwägen.
[Antonio
Rosmini: Leitsätze für Christen / eingeführt von Hans
Urs von Balthasar. Johannes Verlag Einsiedeln 1964, S. 19 - 23]
John Henry Newman
(† 1890):
Leben heißt
sich ändern und Vollkommenheit heißt: sich oft geändert
haben.
Johannes Baptist Berthier († 1908) erläutert, was
Vollkommenheit bedeutet:
Den Fußstapfen des hl. Thomas von Aquin folgend sagt Suarez
[Francisco Suárez, Jesuit und Philosoph, I1548 - 1617]:
Nach Theologen besteht die Vollkommenheit
christlichen Lebens in der Vollkommenheit der Liebe. Dies ist auch
die Lehre der heiligen Väter. Der Grund dafür ist
folgender: Das, was die Vollkommenheit einer Sache ausmacht, ist
seine Einheit mit seinem letzten Ziel. Nun, unser letztes Ziel ist
Gott, der im Glauben erkannt wird; darum besteht unsere
Vollkommenheit in der Einheit mit Gott. Aber es ist die Liebe, die
uns mit ihm verbindet. Durch sie verbinden wir uns eng mit Gott und
werden ein Geist mit ihm, wie der hl. Paulus es ausdrückt und
wie es der hl. Johannes in folgenden Worten ausdrückt:
Gott
ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt
in ihm.
[1. Johannesbrief 4, 16] Der hl. Prosper von Aquitanien
sagt, dass die Liebe der stärkste von allen Affekten ist. Daher
vereinigt sie uns stärker mit Gott als jeder andere Affekt; und
in diesem Leben können wir durch nichts anderes als durch Liebe
mit ihm verbunden werden, denn die Liebe führt zu Gott in sich
selbst, sie unterwirft ihm den Menschen in einer wunderbaren Weise
und macht ihn seinem immer anbetungswürdigen Willen
gleichförmig. Deshalb liegt die ganze Vollkommenheit des
christlichen Lebens in der Liebe. Jedoch, Liebe ist, was die
Vollkommenheit betrifft, nicht so ausreichend, dass sie nicht auch
anderes einschließen müsste: Andere Tugenden müssen
sie begleiten und auf ihr beruhen.In diesem Leben kann
die vollkommene Liebe auf zwei Weisen bestehen. Erstens, insofern sie
aus dem Herzen eines Menschen das verbannt, was der Liebe
entgegengesetzt ist, wie z. B. die Todsünde. Ohne diese
Vollkommenheit kommt Liebe nicht in Frage, darum ist sie für das
Heil erforderlich. Zweitens, vollkommene Liebe kann in diesem Leben
bestehen in dem Sinn, dass sie aus der Seele des Menschen nicht
einfach nur das ausschließt, was der Liebe entgegengesetzt ist,
sondern alles, was die Seele hindert, voll zu Gott voranzuschreiten.
Im ersten Licht
besehen, wird diese Vollkommenheit der Liebe als wesentlich
bezeichnet; sie setzt voraus, dass wir nichts über, gegen oder
mehr als Gott lieben. Das erfordert in der Seele eine Bereitschaft,
alle Gebote zu halten. Jesus Christus spricht von dieser
Vollkommenheit, wenn er zu allen Menschen sagt: Seid
vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!
[Matthäusevangelium
5, 48] Diese wesentliche Vollkommenheit betrifft das gemeinsame Für,
obwohl alle, die in diesem Zustand sind, diesen Grad der
Vollkommenheit noch nicht erreicht haben und konsequenterweise noch
kein geistliches Leben führen, nichtsdestoweniger sind alle in
der Verfassung, dass sie daran gebunden sind, diese Vollkommenheit
anzustreben und zu erwerben, und sie sind mit umfangreichen Mitteln
ausgestattet, sie zu erreichen.
Die Vollendung der
Liebe vom zweiten Gesichtspunkt aus gesehen, d. h. insofern sie nicht
nur die Todsünde ausschließt, sondern all das, was die
Seele hindert, ganz Gott zu gehören, kann als nicht notwendig
bezeichnet werden. Es ist ein besserer und vorteilhafterer Grad, und
es ist von der Art, wen der Herr spricht: Wenn du vollkommen
sein willst, dann geh und verkauf alles, was du hast!
[Matthäusevangelium
19, 21]
[Jean-Baptiste
Berthier: States of Christian Life and Vocation according to the
Doctors and Theologians of the Church. St Athanasios von Alexandria Press 2018, S.
67f, 185; eigene Übersetzung]
Gemäß
Ildefons Schuster († 1954) sind
alle Gläubigen sind zur Vollkommenheit berufen:
Zur
christlichen Vollkommenheit sind wir alle verpflichtet, denn zu uns
allen hat der Herr gesagt:
Seid vollkommen, wie euer Vater im
Himmel vollkommen ist.
[Matthäusevangelium 5, 48] Die heilige Taufe und die
sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen - die Taufgelübde - sind
nicht dem Belieben des einzelnen anheimgestellt, sondern alle, die in
Christo getauft sind, müssen nach Heiligkeit streben.
Wenn nun das Streben
nach Vollkommenheit uns nicht freisteht, sondern sich notwendig aus
der Taufe ergibt, so sind wir doch frei hinsichtlich der Mittel, die
sich uns darbieten, der sogenannten Räte der Vollkommenheit. Die
heilige Taufe müssen alle Menschen empfangen; in den Ordensstand
zu treten sind sie nicht verpflichtet. Ja, unsere Freiheit wird
bestätigt durch die freiwillige Wahl des Ordensstandes, denn man
wird Religiose [Ordensangehöriger] nur, wenn man es will. Darum
sagte der Herr zum reichen Jüngling auf die Frage, was ihm noch
zur Vollkommenheit fehle: Willst du ?
[Matthäusevangelium 19, 21]
ie Bischöfe und
Priester wählt Gott selbst aus. Der Heiland spricht zu den
Aposteln: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe
euch erwählt.
[Johannesevangelium 15, 16] Wie Jesus einst aus eigener
Vollmacht die ersten zwölf Apostel berief, so wählt er auch
jetzt noch aus dem christlichen Volk jene Männer aus, die er zu
seinen Stellvertretern, zu Dienern seiner Liebe, seines Kultes und
seines Gesetzes haben will. …
Hinsichtlich des
Ordensstandes aber verhält es sich anders. Nicht so sehr Gott
beruft die Seele, sondern die Seele entschließt sich, angeregt
durch die göttliche Gnade, zur Nachfolge Jesu. Willst
du?
Gott lädt die Seele ein, und in diesem Sinne kann man
von einer Berufung zum Ordensstand sprechen, aber es ist unbedingt
erforderlich, dass die Seele will
und auf die göttliche
Einladung antwortet:Siehe, ich bin die Magd. des Herrn; mir
geschehe nach deinem Worte.
[Lukasevangelium 1, 38]
[Ildefons
Kardinal Schuster: Ewiges Reich / Grundwahrheiten des Christentums,
übertragen von P. Richard Bauersfeld O.S.B. Verlagsanstalt
Tyrolia, Innsbruck - Wien - München 1932, S. 143 - 145]
2. Weg zur Vollkommenheit
Feindesliebe und Barmherzigkeit machen vollkommen: Ambrosius von Mailand (BKV III 28f).
Vollkommenheit heißt Unrecht mit Liebe erwidern: Ambrosius von Mailand (BKV III 122 - 124).
Weg zur Vollkommenheit: Augustinus von Hippo (BKV VII 352 - 355).
Das Mönchsleben ist Kampf um die Vollkommenheit: Theodoret von Kyrrhos (BKV I 90).
Die Gnade führt nach Bewährung zur Vollkommenheit: Makarius der Ägypter (BKV 75 - 78 und öfter).
Glühende Liebe zu Christus und Weltverachtung: Makarius der Ägypter (BKV 79 - 82).
Wachsende Christussehnsucht als Vorstufe der Vollkommenheit: Makarius der Ägypter (BKV 83f, 85 - 87).
Vollkommenheit durch volle Entfernung des Bösen: Makarius der Ägypter (BKV 171f).
Die mit dem Heiligen Geist Vereinten tun mühelos das Gute: Makarius der Ägypter (BKV 173f und öfter).
Heilige Schrift und Väter sind Richtschnur der Vollkommenheit: Regula Benedicti des Benedikt von Nursia (BKV 96f).
In den Großen ist Sünde ausgelöscht: Makarius der Ägypter (BKV 150, 200, 308).
Die vollkommenen Christen sind dem Kreuz Christi geweiht: Makarius der Ägypter (BKV 163).
Wer zur Vollkommenheit gelangt ist, freut sich des Leidens: Makarius der Ägypter (BKV 385f).
Hrabanus Maurus
(† 856):
Wer zum Gipfel
der Weisheit gelangt, muss notwendig zur Höhe der Liebe
gelangen, denn keiner ist vollkommen weise, außer der, der
vollkommen liebt. Wenn also jemand … zur Fülle der
Weisheit zu gelangen sucht, tut er nichts anderes, als zur
Vollkommenheit der Liebe zu gelangen, und so weit er in der
Erkenntnis Fortschritte macht, so sehr kommt er auch in der Liebe
voran.
[S. Haarländer:
Rabanus Maurus / zum Kennenlernen / Ein Lesbuch. Mainz 2006]
Heinrich Seuse (†
1366):
Frage des Jüngers:
So kamen vom Anbeginn des Jahrhunderts viele Bücher auf
uns über und vielfältig war die Wissenschaft. Die Welt ist
angefüllt mit einem Vielerlei an Lehren. Tausendfach sind die
Arten zu leben: die eine so, die andere so. Es gibt so viele Kodizes,
welche die Laster und Tugenden behandeln, es gibt so viele Büchlein,
welche feinsinnigste Fragen und verschiedene Themen behandeln, dass
das kurze Leben zu Ende geht, bevor es gelingt, alles zu studieren
oder auch nur durchzulesen.
Wer könnte alle
logischen, naturwissenschaftlichen, historischen, moralischen und
theologischen Schriften aufzählen? Alle Skripte, alle neuen und
alten Kommentare, Einführungen, Kompilationen, einzelnen
Traktate und Summen, mit welchen die ganze Erde wie von einem
überbordenden Strom überschwemmt ist? Dies alles
durchzulesen ist zu schwierig für einen müden und schwachen
Schüler. Daher bitte ich dich, mir aus all dem eine äußerst
kurze, in vier Aussprüchen ausgedrückte Formel der
Vollkommenheit, wie sie dem ersten Einüben in den geistlichen
Soldatendienst angemessen ist, zu vermitteln.
Antwort der
göttlichen Weisheit:
1. Wenn du also wünschst,
zur ersehnten Vollkommenheit eines geistlichen Lebens zu gelangen,
wenn du dich tapfer bemühst, das in Angriff zu nehmen, musst du
dich von schädlicher Gesellschaft und Vertrautheit fernhalten
und von allen Menschen, welche dich von deinem Vorsatz abhalten -
kurz: von allen Sterblichen -, soweit es deinem Gelübde nach
möglich ist.
2. Bewahre immer
demütigen und prompten Gehorsam gegenüber deinen Oberen.
3. Ergreife jede
Gelegenheit, wo und wann du kannst, einen Ort der Ruhe aufzusuchen,
nach der abgeschiedenen Stille der Kontemplation zu streben, den Ekel
der gegenwärtigen Zeit zu meiden und die Verwirrungen dieser
Welt zu fliehen.
4. Zu jeder Zeit
sollst du vor allem nach Herzensreinheit streben, so dass du
fortwährend wie mit verschlossenen Sinnen in dich selbst gekehrt
bist und das Tor deines Herzens vor wahrnehmbaren Formen und
irdischen Einbildungen sorgfältig verschlossen hältst,
soweit es dir möglich ist. Denn unter allen geistlichen übungen
nimmt die Herzensreinheit einen Vorrang für sich in Anspruch,
als Endziel und Lohn all des Ungemachs, welches ein verdienter Soldat
Christi in diesem Leben auf sich zu nehmen pflegt.
Du sollst dein Herz mit
aller Sorgfalt von alldem, was seine Freiheit behindern könnte,
lösen und von jeder Sache, welche die Möglichkeit an sich
hat, dass man sich an sie bindet und an ihr festhält und seine
Gefühle daran hängt. …
Vor allem anderen soll
immer dein hauptsächliches Bestreben darin bestehen, deine Seele
fortwährend in Kontemplation des Göttlichen emporgerichtet
zu haben, damit dein Geist immer den göttlichen Dingen und Gott
anhängt und er, irdische Vergänglichkeit zurücklassend,
fortwährend zu Höherem hinaufgetragen wird.
[Heinrich
Seuse: Stundenbuch der Weisheit / Das Horologium Sapientiae
,
übersetzt von Sandra Fenten. Königshausen &
Neumann, Würzburg 2007, S. 169 - 171]
Katharina von Siena († 1380):
Der Herr selbst
sagte zu seiner Dienerin:
Damit die Frucht eurer Handlungen
reichlicher und köstlicher sei, bearbeite ich euch durch
zahllose Trübsale, Beschimpfungen, Beleidigungen, Schmach,
Verachtung und Vorwürfe, durch Worte und Handlungen, durch
Hunger und Durst, so wie es meiner Güte gefällt und nach
Maßgabe dessen, was jeder zu tragen fähig ist. Das Leiden
ist die Probe, nach der sich die Vollkommenheit oder Unvollkommenheit
der Seele beurteilen lässt.
[J.
Leclercq ud A. Kaufmann (Übersetzung): Die Mystikerin des Apostolates
St. Katharina v. Siena. Vechta i. O. 1929, S. 220 - 223]
Vinzenz Ferrer (†
1419):
Wer einen
Seelenführer hat, der ihn anleitet, dem er gehorcht im Großen
wie im Kleinen, der gelangt leichter und in kürzerer Zeit zur
Vollkommenheit als der, der es unternimmt, sich selbst zur
Vollkommenheit zu führen.
Der Weg des
Gehorsams ist der königliche Weg, der unaufhaltsam zum Gipfel
führt, wo der Mensch seinen Gott findet; alle, die zur
Vollkommenheit gelangten, sind auf diesem schmalen Pfade
vorangeschritten.
[Die
Lehre vom geistlichen Leben / von San Vicente Ferrer, übertragen von
S. Brettle. = Dokumente der Religion, Bd. 4. Paderborn 1923, S. 26f]
Nach Johannes von Gott († 1550) sind
drei Dinge für unser geistliches Leben zu
beherzigen:
Drei Dinge
schulden wir Gott: Liebe, Dienst und Ehrfurcht. Liebe, dass wir
Ihn als himmlischen Vater über alle Dinge der Welt lieben;
Dienst, dass wir Ihm als Herrn dienen, nicht im Hinblick auf die
Seligkeit, die Er denen geben wird, die Ihm dienen, sondern allein um
Seiner Güte willen; Ehrfurcht als dem Schöpfer, und wir
sollen Seinen heiligen Namen nur im Munde führen, um Ihm Dank zu
sagen und Seinen heiligen Namen zu preisen.
In drei Dingen sollt
Ihr täglich die Zeit verwenden, gute Herzogin: im Gebet, in der
Arbeit und im Unterhalt für den Leib. Im Gebet, indem Ihr Jesus
Christus Dank sagt, wenn Ihr am Morgen aufsteht, für die Güter
und Gnaden, die Er uns allezeit gibt, dadurch, dass Er uns nach
Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat und uns die Gnade gab,
Christen zu sein, und (indem Ihr) Jesus Christus um Barmherzigkeit
bittet, dass Er uns verzeihe, und zu Gott für die ganze Welt
betet. In der Arbeit, dass wir körperlich arbeiten, indem wir
einer tugendhaften Beschäftigung nachgehen, damit wir verdienen,
was wir essen, denn (auch) Jesus Christus
arbeitete bis zu Seinem Tod; bringt doch nichts mehr Sünden
hervor als der Müßiggang. Im Unterhalt unseres Leibes,
denn so wie der Maultiertreiber sein Tier pflegt und erhält, um
sich seiner zu bedienen, so ziemt es sich, dass wir unserem Leib
geben, was er braucht, damit wir durch ihn Kräfte haben, um
Jesus Christus zu dienen.
Meine vielgeliebte und
geschätzte Schwester, um Jesu Christi Liebe willen bitte ich
Euch, drei Dinge im Gedächtnis zu behalten, und zwar: die Stunde
des Todes, der niemand entrinnen kann, die Qualen der Hölle und
die Herrlichkeit und Seligkeit des Paradieses. Zum Ersten: Daran
denken, wie der Tod alles, was diese elende Welt uns gibt, verzehrt
und beendet und er uns nichts mitnehmen lässt als ein Stück
zerrissener und schlecht genähter Leinwand. Zum Zweiten:
Bedenken, wie wir die so kurzen Freuden und Vergnügungen, die
bald dahin sind, bezahlen werden müssen (wenn wir in Todsünde
sterben) im Feuer der Hölle, das ewig währt. Zum Dritten:
Die Herrlichkeit und Seligkeit betrachten, die Jesus Christus jenen
bereitet, die Ihm dienen, und die kein Auge je gesehen, kein Ohr je
vernommen, kein Herz je ersonnen hat.
Deshalb denn, meine
Schwester in Jesus Christus, lassen wir uns nicht von unseren
Feinden, der Welt, dem Teufel und dem Fleisch, besiegen. Vor allem,
meine Schwester, habt die Liebe, denn sie ist die Mutter aller
Tugenden.
[Aus dem 3.
Brief an die Herzogin von Sessa. Nach: J. Cruset: Das heilige
Abenteuer des Johannes von Gott. Graz - Wien - Köln 21982,
S. 197f]
Im Buch über
die Gründungen zeigt Theresa von Ávila († 1582)
den schnellsten Weg zur Vollkommenheit auf:
Ich glaube, dass
der Böse uns unter dem Vorwand des Guten deshalb so viele
Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten vor Augen führt, weil er
sieht, dass es keinen schnelleren Weg zur höchsten
Vollkommenheit gibt als den des Gehorsams. … Denn es ist doch
klar, dass das, worin die höchste Vollkommenheit liegt, nicht in
inneren Wonnen oder großartigen Verzückungen oder Visionen
und auch nicht im Geist der Prophezeiung besteht, sondern in nichts
anderem als dass unser Wille dem Willen Gottes so sehr gleichförmig
wird, dass wir nichts erkennen, was er will, ohne es auch von ganzem
Herzen zu wollen, und das Köstliche genauso freudig annehmen wie
das Bittere, sofern wir nur erkennen, dass Seine Majestät es
will. Das erscheint äußerst schwierig; es zu tun ist es
nicht so, wohl aber das totale Sich-Anbequemen an das, was unserem
Willen natürlicherweise widerspricht; und es ist ja wahr, dass
das so ist. Doch hat die Liebe, wenn sie vollkommen ist, diese Kraft,
dass wir nämlich unser eigenes Glück vergessen, um den
glücklich zu machen, den wir lieben. Und so ist es wirklich;
denn mögen die Prüfungen noch so groß sein, wenn wir
erkennen, dass wir Gott damit beglücken, werden sie uns süß.
Auf diese Weise lieben diejenigen, die so weit gekommen sind,
Verfolgungen, Verleumdungen und Beleidigungen.
[Teresa
von Ávila: Das Buch der Gründungen, Kap. 5, 10. = Gesammelte
Werke, Bd. 5. Freiburg - Basel - Wien 2007, S. 137f]
Katharina de'Ricci († 1590) nennt einer Mitschwester drei
Regeln, um die Vollkommenheit zu erlangen, sie bezeichnet sie auch
als Kompendium des ganzen geistlichen Lebens
:
Wenn ihr, liebe
Tochter, wahre Braut Christi sein wollt, ist es nötig, in allem
seinen heiligsten Willen zu tun. Das werdet ihr dann sicher tun, wenn
ihr völlig den eigenen Willen loslasst und den göttlichen
Bräutigam mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all euren Kräften
liebt und wenn ihr außerdem folgende drei Dinge, die ich euch
jetzt sagen werde, beobachtet. … Es sind in der Tat wie drei
Dokumente, die die ganze christliche Vollkommenheit zusammenfassen:
Vor allem ist es nötig
sich anzustrengen, das Gefühl und den Willen von aller irdischen
Liebe abzuwenden und kein vergängliches Ding zu lieben, es sei
denn aus Liebe zu Gott; auch dürfen wir Gott nicht aus
Eigeninteresse lieben, sondern aus reiner Liebe zu ihm und seiner
Güte.
Zweitens ist es nötig,
auf die Liebe zu ihm alle Gedanken, Worte und Werke zu richten und
mit dem Gebet, der Ermahnung und dem Beispiel allein seine Ehre zu
suchen, und zwar so, dass auch die anderen unseretwegen Gott lieben
und verherrlichen können. Nun wer sieht nicht, dass diese Art zu
lieben Gott mehr gefällt als die erste? Diejenigen, die so
lieben, erfüllen in vollkommener Weise seinen Willen.
Schließlich ist
es nötig sich so sehr zu bemühen den Willen Gottes zu
erfüllen, dass wir nicht nur nicht das wünschen, was an
Gutem oder Schlechtem uns in diesem elenden Leben geschehen kann,
sondern es ist nötig, sich so sehr dem göttlichen Plan zu
überlassen, um nicht mehr den inneren Frieden unseres Herzens
und nicht die Ruhe der Seele zu unterbrechen. Statt dessen sollen wir
uns überzeugen mit festem Glauben, dass der allmächtige
Gott uns mehr liebt als wir selbst uns lieben können, und dass
er mehr Sorge um uns trägt als die, die wir selbst um uns haben
können. Deshalb gilt: Je mehr wir es verstehen, uns auf Ihn zu
verlassen, umso mehr werden wir ihn anwesend und bereit finden uns zu
helfen und umso mehr werden wir in uns seine zärtlichste Liebe
erfahren.
Aber zu einer solch
hohen Vollkommenheit kann man nur gelangen durch eine beständige
und entschiedenene Absage an den eigenen Willen. Und um sie zu
erlangen, wenn wir sie begehren, bedarf es einer sehr tiefen und
großen Demut.
[Domenico
Di Agresti: Caterina de' Ricci. L'esperienza spirituale della Santa
di Prato. Edizioni Libreria Cattolica. Prato 2001, S. 61f; eigene Übersetzung]
Johannes vom Kreuz († 1591)
zählt folgende Stufen der Vollkommenheit
auf:
1. Keine Sünde
begehen, um nichts in der Welt, ja wissentlich nicht einmal eine
lässiche, noch eine bewusste Unvollkommenheit.
2. Sich bemühen,
immer in der Gegenwart Gottes zu wandeln, in der wirklichen oder in
der vorgestellten oder in der einigenden, je nachdem, wie es sich mit
den Werken verträgt.
3. Nichts tun und kein
nennenswertes Wort sprechen, das Christus nicht spräche oder
täte, wenn er sich in dem Stand befände, in dem ich mich
befinde, und das Alter und die Gesundheit hatte, die ich habe.
4. Bemühen Sie sich
in allen Dingen um die größere Ehre und Verherrlichung
Gottes.
5. Wegen keiner
Beschäftigung das innere Gebet unterlassen, denn es ist Nahrung
für die Seele.
6. Die
Gewissenserforschung wegen der Beschäftigungen nicht unterlassen
und für jede Verfehlung irgendeine Buße tun.
7. Großen Schmerz um
jede Zeit empfinden, die man vergeudet hat oder vorbeigehen lässt,
ohne Gott zu lieben.
8. In allen Dingen, hohen
und niedrigen, möge Gott ihr Ziel sein, denn sonst werden Sie an
Vollkommenheit und Verdienst nicht zunehmen.
9. Geben Sie das Beten nie
auf, und wenn Sie Trockenheit und Schwierigkeiten erfahren sollten,
dann halten Sie beim Beten erst recht durch; denn vielfach möchte
Gott sehen, was Sic in Ihrer Seele haben, und das bekundet sich
nicht, wenn es leicht und nach Ihrem Geschmack geht.
10. Vom Himmel und von
der Erde immer das Unterste und den geringsten Platz und das
geringste Amt.
11. Mischen Sie sich
nie in etwas ein, das Ihnen nicht aufgetragen wurde und versteifen
Sie sich auf nichts, auch wenn Sic derjenige sind, der Recht hat. Und
wenn man Ihnen bei dem, was man Ihnen aufträgt, einen Finger
gibt, wie man so sagt, dann nehmen Sie nicht die Hand. …
12. Fremde Angelegenheiten,
seien sie gut oder schlecht, sollen Sie nicht beachten; denn
abgesehen von der Gefahr, zu sündigen, die da besteht, ist dies
An1a8 zu Zerstreuungen und zeugt von wenig Geist.
13. Bemühen Sie sich
immer, mit klarer Erkenntnis Ihrer Erbärmlichkeit, mit
Eindeutigkeit und Lauterkeit zu beichten.
14. Auch wenn Ihnen alles,
was mit Ihrer Verpflichtung und Ihrem Amt verbunden ist, schwer fällt
und zuwider ist, so verzagen Sie deswegen nicht, denn es muss nicht
immer so sein; Gott, der den Menschen erprobt, indem er Mühsal
bei seinem Gebot vorgibt (Psalm 93, 20), wird Ihnen darin bald das Gute
und den Gewinn erweisen.
15. Immer mögen Sie
daran denken, dass alles, was Ihnen zustößt, sei es Gutes
oder Schlechtes, von Gott kommt, damit Sie beim einen nicht
überheblich, beim anderen nicht mutlos werden.
16. Denken Sie immer daran,
dass Sie zu nichts anderem gekommen sind, als um heilig zu werden;
lassen Sic deshalb nicht zu, dass, in Ihrer Seele etwas herrscht, das
nicht zur Heiligkeit führt.
17. Immer mögen Sic es
mehr lieben, andere zufrieden zu stellen als sich selbst, denn so
werden Sic dem Nächsten gegenüber weder neidisch noch
vereinnahmend sein. Das ist in Bezug darauf zu verstehen, wo es um
Vollkommenheit geht; denn Gott argert sich sehr über
Menschen,
die dem, was ihm gefälit, nicht den Vorrang einräumen vor
dem, was die Menschen für gut halten.
[Johannes vom Kreuz: Worte von Licht und Liebe / Briefe und kleinere Schriften,
hrsg. und übersetzt von U. Dobhan, E. Hense, E. Peeters.
Freiburg - Basel - Wien 1996, S. 170 - 173]
Aloisius von Gonzaga († 1592):
Die ganze
Vollkommenheit des Evangeliums wird durch eifrige übung des
Gebets erworben, und der kann nie dahin gelangen, vollkommen zu sein,
der nicht ein Mann des Gebetes ist.
Maria Magdalena von Pazzi († 1607):
Man soll nicht gehen,
sondern laufen; man soll nicht laufen, sondern fliegen - zur
Vollkommenheit.
Maria Ward (†
1645) war sich bewusst, dass die volle innere Freiheit ein
Geschenk der göttlichen Gnade und damit auch Frucht des Gebets
ist:
Du, Herr, kennst
mein Herz! Mache dieses Herz vollkommen, so, wie du es haben willst.
Mein Herz ist bereit o
Gott, mein Herz ist bereit!
Emilie Schneider
(† 1859):
Man muss taub,
stumm und blind sein: taub, indem man nichts Unnötiges anhört;
stumm, indem man nur das Notwendige und nur Erbauliches redet, aber
nicht über die Fehler und Unvollkommenheiten anderer; blind,
indem man nur sieht, was zum Heil und zur Vollkommenheit dienen kann
und seine Augen von dem Tun und Lassen anderer abwendet.
[Karl
Richstätter SJ: Eine moderne deutsche Mystikerin / Leben und
Briefe der Schwester Emilie Schneider. Freiburg i. B. 1924, S. 118f]
Die Spiritualität von Columba Marmion
(† 1923) ist christozentrisch,
auch unser Leben sollte auf Christus ausgerichtet ein:
Das Ziel aller
Vervollkommnung und Entwicklung des übernatürlichen Lebens
ist,
zum Vollalter Christi zu gelangen
[Epheserbrief 4,13] …
Es ist nur ein Leib, von dem Christus das Haupt ist; wir alle sind
durch die Gnade Glieder desselben; aber wir müssen vollkommene
Glieder werden, die ihres Hauptes würdig sind. Das ist das Ziel
unseres geistlichen Lebens.
Christus, als unser
Haupt, ist aber auch die Quelle dieses geistlichen Fortschritts. Wir
dürfen es nicht vergessen, dass Jesus Christus mit Annahme
unserer menschlichen Natur all unsere inneren und äußeren
Werke geheiligt hat; sein menschliches Leben war dem unseren gleich,
und sein göttliches Herz ist der Mittelpunkt aller Tugenden,
Jesus Christus hat alle Arten menschlichen Tuns selbst geübt.
Wir dürfen durchaus nicht glauben, dass der Herr unbeweglich in
Entzückung geweilt habe; nein, er schöpfte vielmehr aus der
beglückenden Anschauung Gottes und seiner Vollkommenheit die
Triebkraft seiner Tätigkeit; er wollte den Vater dadurch
verherrlichen, dass er in seiner Person die vielfachen und
obliegenden menschlichen Tätigkeiten heiligte. Wir beten: Er hat
Nächte betend durchwacht. Wir arbeiten: Er hat sich gemüht
in harter Arbeit bis zum 30. Lebensjahr. Wir essen: Er hat mit seinen
Jüngern zu Tische gegessen. Wir müssen Widersprüche
und Angriffe von Seiten der Menschen erfahren: Auch er hat sie
gekannt, oder haben ihn die Pharisäer jemals in Ruhe gelassen?
Wir müssen leiden: Er hat geweint, hat für uns und vor uns
an Leib und Seele gelitten, wie kein anderer Mensch je zu leiden
hatte. Wir erleben freudige Stunden: Seine heilige Seele hat in
unaussprechlichem Jubel frohlockt. Mit einem Wort: Er hat getan, was
wir tun.
Und wozu dies alles?
Nicht bloß, um als unser Haupt uns ein Beispiel zu geben,
sondern um durch diese Handlungen uns die Gnade zu verdienen, dass
wir all unsere Handlungen heiligen können, um uns die Gnade zu
erwerben, die unser Tun Gott wohlgefällig macht. Diese Gnade
verbindet uns mit ihm, macht uns zu lebendigen Gliedern seines
Leibes. Um zu wachsen in ihm und zur Vollkommenheit der Glieder
Christi zu gelangen, müssen wir diese Gnade nicht nur in unsere
Seele, sondern in unser ganzes Leben und Tun eindringen lassen.
Jesus Christus wohnt in
uns mit all seinen Verdiensten, um all unser Handeln zu beleben. Wenn
wir nun durch eine oftmalige, gerade und reine Meinung all unsere
täglichen Handlungen mit den Handlungen vereinigen, die Jesus
Christus auf Erden verrichtete, dann fließt Gottes Gnadenkraft
in ununterbrochenem Strom auf uns herab. Wenn wir all unsere
Handlungen in Liebe mit ihm verrichten, werden wir sicher und rasch
vorwärts schreiten.
[Abt
D. Columba Marmion OSB: Christus das Leben der Seele, übertragen von
M. Benedicta von Spiegel OSB, 4.51931, S. 237f]
Eustachius Kugler
(† 1946):
Das heiligste Herz Jesu soll
mein Lehrer sein in der Vollkommenheit; ich will mich in allem
fragen: Wie Jesus gehandelt hätte, so will auch ich handeln.
3. Vollkommenheit im Dies- und im Jenseits
Christliche Vollkommenheit und Glückseligkeit: Apologeten (BKV I 170).
Unterschied zwischen diesseitiger und jenseitiger Vollkommenheit: Ambrosius von Mailand (BKV III 209).
Vollkommenheit ist hier nur relativ und mangelhaft: Hieronymus (BKV I 350 - 368, 482 - 491).
Höchste Vollkommenheit im Himmel durch Anschauung der Wahrheit: Augustinus von Hippo (BKV VII 352 - 355).
Im Vergleich zur jenseitigen Vollkommenheit keine irdische Vollkommenheit: Augustinus von Hippo (BKV VIII 46).
Jordan von Sachsen († 1237):
Nichts wird in
diesem Leben so sehr vollendet, dass es nicht vollkommener werden
könnte, bis wir dorthin gelangen, wo nichts Unvollkommenes Platz
hat, wo ein jeder von uns mit so großer Vollkommenheit erfüllt
werden wird, dass er nichts Weiteres mehr braucht, weil dort kein
Mangel sein wird und wo alle Möglichkeiten erfüllt sein
werden: in Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit verherrlicht und
lobenswert ist. Amen.
[Jordan
von Sachsen / Von den Anfängen des Predigerordens, hrsg. von
Wolfram Hoyer. Leipzig 22003, S. 134]
Gregor Sinaites
(† 1346):
Gleichen Alters sind im Geist all
jene, die die Fülle der Vollkommenheit Christi erhalten haben.
Thomas Morus (†
1535):
Nichts wird gut und vollkommen sein,
bevor die Menschen gut und vollkommen sind.
4. unterschiedliche Stufen und Arten der Vollkommenheit
Eulogius I. von Alexandria († 607/608)
deutet die dreimalige
Frage des Auferstandenen an Petrus (Johannesevangelium 21, 15 - 19) auf ungewöhnliche
Weise. Der Herr tut es aus liebevoller Sorge für seine Herde,
die er nun Petrus anvertraut:
Er beschreibt bei
seiner Frage gewisse unterschiedliche Abstufungen derer, die geweidet
werden sollen: denn zuerst befiehlt er, die Lämmer zu weiden,
dann die [armen] Schäflein, die zwar zunächst Schafe
gewesen waren, dann aber durch einige Stürze Kraft und
Vollkommenheit eingebüßt haben; dann erst führt er
die vollkommenen Schafe an.
Mit den Lämmern
werden die verglichen, die noch der Milch und der elementaren Lehre
bedürfen; mit den armen Schäflein diejenigen, die durch
einige Verfehlungen ihre Vollkommenheit eingebüßt haben;
mit den Schafen diejenigen, die zur Vollkommenheit des Glaubens und
Lebens aufgestiegen sind.
Sieh ferner, wie er das
Unvollkommene dem Vollkommenen voranstellt: denn das vornehmliche
Ziel des Herrn war das Heil der Sünder: Denn
, so sagt er, Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten,
sondern die Sünder zur Umkehr zu rufen.
(vgl. Lukasevangelium 5, 31f).
[S.
Eulogius Alexandrinus Archiepiscopus: Sermo in Ramos Palmarum et in
pullum asini. In: MPG 103, Fragment, Sp. 2961 - 2962; eigene Übersetzung]
Niels Stensen (†
1686):
Verlangt doch das
Wort Gottes und die vom Glauben erleuchtete Vernunft ganz klar, dass
man jede Seele zu jenem Stand der Vollkommenheit erhebe, die ihrem
Beruf und ihren Talenten entspricht. Es ist dies der Stand, den die
Barmherzigkeit der allerheiligsten Dreifaltigkeit ihr von Ewigkeit
vorherbestimmt und die Menschheit des Erlösers ihr am Kreuze
verdient hat. Diese Ursachen können nichts Alltägliches,
nichts Mittelmäßiges hervorbringen.
(Op. theol.
II, 16)
[Hermann Wieh: Niels Stensen / Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Echter Verlag
Würzburg 1988, S. 47]
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Autor: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB - zuletzt aktualisiert am 03.09.2025
korrekt zitieren: Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB: Artikel
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